Schulpolitik: Erinnern soll Pflicht werden

Alle schleswig-holsteinischen SchülerInnen sollen mindestens eine KZ-Gedenkstätte besuchen. So will es Kulturministerin Anke Spoorendonk.

Bald mehr Besucher? Installation auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Ladelund. Bild: dpa

HAMBURG taz | Schleswig-Holsteins Kulturministerin Anke Spoorendonk (SSW) will eine Gedenkstättenbesuchspflicht für SchülerInnen einführen. Mindestens einmal in der Schulzeit sollen sie eine Gedenkstätte besuchen, die sich mit der Nazi-Vergangenheit auseinandersetzt. In anderen Bundesländern sei eine schulische Gedenkstättenbesuchspflicht bereits gängige Praxis, sagte Spoorendonk. Laut Kultusministerkonferenz gibt es aber kein Bundesland mit einer solchen Pflicht.

Die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und SSW steht hinter Spoorendonks Idee. „Der Vorschlag der Kulturministerin weist in die richtige Richtung“, sagt Marlies Fritzen, kulturpolitische Sprecherin der Grünen. „Vor dem Hintergrund einer erschreckend starken Neonazi-Szene ist die kritische Auseinandersetzung mit den Tätern des Nationalsozialismus notwendiger denn je.“ Gerade bei einer geringen Wahlbeteiligung müsse man Maßnahmen gegen rechtsradikale Propaganda ergreifen, sagt auch Beate Raudies, kulturpolitische Sprecherin der SPD. „Meine Fraktion wird deshalb die ambitionierten Vorschläge von Ministerin Spoorendonk unterstützen.“

Die parteilose Bildungsministerin Waltraud Wende reagiert auf den Vorschlag Spoorendonks zurückhaltend. Es sei zwar wichtig, sich der Frage zu widmen, wie die Nazi-Zeit aufzuarbeiten sei, da sei ein Gedenkstättenbesuch hilfreich. Dabei dürfe man es aber nicht belassen.

Laut der Stiftung niedersächsischer Gedenkstätten "verwirrt" der "friedliche Eindruck", wie er heute im ehemaligen Lager Bergen-Belsen vorzufinden sei. Ein "multimedialer Geländeguide" soll Abhilfe schaffen:

Ein virtuelles 3-D-KZ auf dem Tablet-Computer zeigt den BesucherInnen ihren Standpunkt auf dem Gelände und wie das Lager früher aussah. Historische Daten werden mitgeliefert.

Die Verbindung von Bild und Information solle zur Reflexion über das damalige Geschehen anregen, so die Idee.

Piratenpartei und FDP lehnen Spoorendonks Vorschlag ab, die CDU verweist auf die Kosten, die bei einem verpflichtenden Gedenkstättenbesuch anfallen. CDU-Bildungsexpertin Heike Franzen „erwartet ein schlüssiges Konzept der Landesregierung“.

Neben der Gedenkstättenbesuchspflicht hat Spoorendonk noch zwei weitere Ideen. Sie will die Neulandhalle bei Friedrichskoog (Kreis Dithmarschen) für vier Millionen Euro ausbauen lassen. Hier werden die Mechanismen der Nazi-Propaganda gezeigt. Außerdem soll die Gedenkstätte Ladelund für 500.000 Euro eine neue Ausstellung erhalten. Beide Anträge werden Freitag dem Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) vorgelegt.

Spoorendonk begründet ihren Vorstoß damit, dass die Gedenkstättenarbeit bisher erbärmlich gewesen sei. Erst seit 1996 hat Schleswig-Holstein dafür einen eigenen Haushaltstitel eingeführt. Die „zweite braune Vergangenheit“ nach 1945 sei mitverantwortlich dafür, dass Schleswig-Holstein lange Zeit die Gedenkstättenarbeit vernachlässigt habe.

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