Der erfolgreiche Aufstand der Bauern

LANDWIRTSCHAFT Mehr Umweltschutz, weniger Monokulturen und mehr Arbeitsplätze, das will die Europäische Kommission den Landwirten vorschreiben. Doch die Agrarlobby macht Druck. Nun verwässert das Europaparlament die Pläne

BERLIN taz | Helmut Richter dürfte sich freuen. Der Geschäftsführer der brandenburgischen Bäuerlichen Produktionsgemeinschaft Saßleben – 1.150 Hektar Land, rund 900 Rinder – hat etwas gegen die öko-soziale Reform der EU-Agrarsubventionen, die die Europäische Kommission vorgeschlagen hat. Die Behörde will, dass Bauern mehr für Umwelt und Arbeitsplätze tun müssen. Doch am Mittwoch hat das EU-Parlament die Vorschläge so stark verwässert, dass die meisten Landwirte so weiter arbeiten können wie bisher. Zwar muss das Parlament jetzt noch mit den EU-Staaten und der Kommission verhandeln. Es hat aber ein Vetorecht, das es ganz im Sinne etwa von Helmut Richter nutzt.

Es steht eine Menge auf dem Spiel: Das Agrarbudget ist mit jährlich rund 58 Milliarden Euro der größte Posten im EU-Haushalt. Gleichzeitig tragen die Bauern Wissenschaftlern zufolge die Hauptschuld daran, dass Tier- und Pflanzenarten aussterben. Die Landwirte verursachen laut Umweltbundesamt auch 13 Prozent der Treibhausgase in Deutschland. Zudem verteilt die EU die wichtigste Subventionsart, die Direktzahlungen, nach der Fläche der Betriebe, so dass ausgerechnet die größten die höchsten Summen kassieren.

Deshalb will die Kommission die Direktzahlungen auf 300.000 Euro pro Betrieb begrenzen. Wer viele Arbeitsplätze bietet, dem sollen weniger Subventionen gekürzt werden. Schon dieser Vorschlag hätte der Kommission zufolge nur maximal 0,03 Prozent der deutschen Betriebe getroffen. Das Parlament hat nun sogar eine Ausnahme beschlossen, von der auch einige extrem große Nachfolger von DDR-Betrieben profitieren könnten.

Außerdem fordert die Kommission, dass die Bauern mindestens 7 Prozent ihrer Äcker „im Umweltinteresse“ nutzen. Sie könnten etwa Wildblumen wachsen oder die Fläche brachliegen lassen. Die Parlamentarier wollen aber zunächst nur 3 und ab 2016 dann 5 Prozent. Dabei haben die Landwirte nach einer Schätzung des bundeseigenen Thünen-Instituts in Deutschland schon jetzt im Schnitt auf 2,1 bis 3,5 Prozent ihrer Ackerfläche Brachen oder Landschaftselemente wie Hecken.

Die Bauern sollten laut Kommission auch mindestens drei Fruchtarten anbauen, um Monokulturen zu verhindern, die langfristig mehr Pestizide benötigen und die Artenvielfalt reduzieren. Das Parlament will von dieser Regel wie auch von der Vorschrift für die Flächen im Umweltinteresse alle Betriebe bis 10 Hektar ausnehmen. Erst ab 30 Hektar müssen Firmen drei Sorten nachweisen. Das ermöglicht weiter etwa Mais-Monokulturen.

„Das ist alles so offensichtlich in eine reine Form des Lobbyismus übergegangen, dass die Mid-Term-Review dieser Reform schneller kommen wird als geplant“, sagte der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, Martin Häusling. Helmut Richter, der Chef des brandenburgischen Agrarunternehmens, kritisiert wie der konservative Deutsche Bauernverband, die Kommission wolle die „Stilllegung“ von Flächen. Dabei müssten die Bauern angesichts der wachsenden Weltbevölkerung mehr produzieren. Doch in Wirklichkeit schlägt die Behörde Stilllegung nur als eine Variante der Nutzung „im Umweltinteresse“ vor. Biobetriebe wie der von Bauer Richter sollten von den neuen Auflagen automatisch verschont bleiben. „Wo steht das? Das schreibt doch keiner“, sagt er. Zumindest nicht Fachzeitschriften, die er lese. Kein Wunder: Sie stehen dem Deutschen Bauernverband nahe. JOST MAURIN

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