Fluss mit toten Schweinen

CHINA Seit Tagen treiben Tausende von Tierkadavern auf Schanghai zu. Die Behörden rätseln über den Grund, Blogger wittern einen vertuschten Skandal

PEKING taz | Das Aktenzeichen Schweinetod ist bislang ungelöst: Seit Tagen treiben tote Schweine im Huanpu-Fluss auf die chinesische Hafenmetropole Schanghai zu. Bis Mittwoch haben die Behörden 6.000 Kadaver herausgefischt.

Woher die toten Tiere stammen, ist bislang nicht bekannt. Die Behörden behaupten, Unbekannte hätten die Schweine in der Stadt Jiaxing flussaufwärts in der Provinz Zhejiang ins Wasser geworfen. Eine Schweineepidemie in Jiaxing schließen sie aus, ebenso vergiftetes Wasser. Das Landwirtschaftskomitee von Jiaxing bestätigte lediglich, dass sie in einem Kadaver ein für Schweine gefährliches Virus festgestellt habe. Menschen seien nicht in Gefahr. Auch die Stadtoberen von Schanghai versichern, der Huangpu sei sauber. Aus dem Strom entnehmen die Schanghaier ihr Trinkwasser.

Das Problem ist nur: Kaum jemand glaubt ihnen. Nach dem Milchpulverskandal und diversen weiteren Lebensmittelskandalen fehlt es in der Bevölkerung an Vertrauen. Die staatlich kontrollierten Medien halten sich mit Kritik und Anschuldigungen bislang zurück. In den sozialen Netzwerken überwiegt aber der Ärger.

„Das stinkt doch zum Himmel“, beklagt sich ein Blogger auf Sina-Weibo, dem chinesischen Twitter-Pendant. Auch der bekannte Kolumnist Zhao Chu hegt seine Zweifel. „Wenn jemand behauptet, 10.000 Schweine seien erfroren, lügt er“, schreibt er auf Weibo. Das zuständige Agrarministerium von Zhejiang hatte behauptet, die Tiere seien erfroren. Schanghai misst derzeit 15 Grad plus.

Überhaupt hatte erst ein Blogger auf das Problem aufmerksam gemacht. Huang Beibei hatte Fotos von den Schweinekadavern ins Netz gestellt. Ihm sei es um die Sicherheit des Trinkwassers gegangen. „Obwohl die Regierung sagt, das Wasser sei sicher, glaube zumindest ich das nicht.“ Er ist sich sicher, dass die Schweine an einer Krankheit gestorben sind.

Die vielen Skandale sind ein Grund, warum Chinas neues Staatsoberhaupt Xi Jinping die Behörden komplett umstrukturiert hat. Die Nahrungsmittelaufsicht hat Xi zu einem Ministerium aufgewertet. Auch das Ministerium für öffentliche Sicherheit soll künftig verstärkt gegen illegale Händler und korrupte Beamte vorgehen. Einige Blogger nehmen die Schweinekadaver im Huangpu mit Humor. Die Tiere wollen offensichtlich nicht die verschmutzte Luft einatmen, schreibt ein Blogger in Anspielung auf Chinas Rekordsmog der vergangenen Wochen. Und ein anderer mutmaßt, die Schweine seien verhungert, weil der Milchpulvernachschub aus dem Ausland ausgeblieben ist. FELIX LEE