Prozesse: Mord durch "K.-o.-Tropfen"

Der Prozess um den mutmaßlichen Dreifachmörder Dirk P. ist eröffnet. Ob er fortgesetzt werden kann, hängt davon ab, ob er verhandlungsfähig ist.

Anfangs glaubte Benjamin B. (Name geändert), er werde es gut verkraften, dass auch er zu den überlebenden Opfern von Dirk P. gehört, dem 38-jährigen mutmaßlichen Dreifachmörder, der als „Darkroom-“ und „K.O.-Tropfen-Mörder“ bekannt geworden ist. Benjamin B. hatte ihn in seine Wohnung mitgenommen, dort hatte ihm Dirk P. die tödliche Dosis von zwanzig Milliliter Gammabutyrolacton (GBL) ins Glas geschüttet. Benjamin B. nippte zwei Mal an dem Getränk, er wurde müde und litt unter Schwindel. Als er im Fernsehen das Fahndungsfoto mit dem Konterfei seines Besuchers sah, meldete er sich bei der Polizei.

Bevor heute der Prozess gegen Dirk P. beginnen konnte, mussten sich zwei Rechtsmediziner mit der Frage beschäftigen, ob der Angeklagte verhandlungsfähig ist: Er gilt als stark selbstmordgefährdet, drei Wochen nach seiner Verhaftung Ende Mai war er in die psychiatrische Abteilung des Justizkrankenhauses verlegt worden. Seine rechte bandagierte Hand und Verletzungsspuren an der linken Halsseite resultieren aus mehreren Suizidversuchen, bestätigt die Anwältin von Benjamin B.

Als die Zuschauer dann eingelassen wurden, winkte Dirk P. ins Publikum. Dann verlas die Staatsanwältin die Anklage: Innerhalb von drei Wochen soll der angeklagte Lehrerreferendar drei Morde und zwei Mordversuche begangen haben, außerdem sieben Mal versucht haben, mit den Geldkarten seiner Opfer Bahnfahrkarten zu kaufen oder Geld abzuheben. Drei Mal klappte es, mindestens zwei Mal fuhr er auf Kosten seiner Opfer zu seiner Familie nach Süddeutschland. Im Verhältnis zu den Morden und Mordversuchen ist der finanzielle Schaden gering: er beträgt rund 500 Euro, wobei in zwei Fällen unklar blieb, wie viel Bargeld er den Toten stahl.

Laut Anklage besorgte sich der ausgebildete Rettungssanitäter, der während seines Pädagogikstudiums als Krankenpfleger arbeitete, zwei Monate vor Beginn seiner Tatserie im April 2012 eine 500 Milliliter-Flasche GBL aus dem Internet, nachdem er eine Erklärung unterschrieben hatte, dass ihm die tödliche Wirkung bei Verabreichung von etwa vier Millilitern dieses Giftes bekannt sei. Dirk P. verwendete die fünffache Menge, um zwei Bekannte zu töten und eine Bar-Bekanntschaft, die dann im Darkroom einer Schwulenbar gefunden wurde – dieses Opfer soll der Angeklagte vergiftet, gewürgt und ausgeraubt haben. Miroslaw W. drohte Ähnliches – er trank eine Flasche „Kleiner Feigling“, die ihm Dirk P. auf einer S-Bahn-Fahrt überreichte. Den zunehmend schwächer Werdenden begleitete er dann vom Ostbahnhof in eine Seitenstraße, entwendete ihm die Börse und ließ ihn bewusstlos zurück. Eine Frau sorgte dafür, dass der Komatöse auf der Intensivstation gerettet wurde.

Benjamin B. hatte mehr Glück. Dennoch geht es ihm psychisch nicht gut, wie seine Anwältin am Rande des Prozesses sagte. Er sei im Lauf der vergangenen Monate zunehmend misstrauischer geworden, er habe diese Tat eines ihm seit Monaten bekannten Menschen als Angriff auf sein Urvertrauen erlebt. Der Prozess endete heute bereits nach dem Verlesen der Anklage. Ob er in einer Woche fortgesetzt werden kann, hängt davon ab, ob die Rechtsmediziner den Angeklagten für verhandlungsfähig halten.

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