Umweltschutz: Nützliche Alibi-Debatte

Die Grünen wollen, dass der Senat für weniger Plastiktüten-Verbrauch sorgt. Experten geht das nicht weit genug. Einer fordert, dass die Stadt ganz anders einkauft.

Verschmutzen über Jahrzehnte die Umwelt: Plastiktüten. : dpa

Ein Vorschlag der Grünen, den Verbrauch von Plastiktüten zu verringern, ist bei einer Experten-Anhörung in der Bürgerschaft für gut, aber nicht weitgehend genug befunden worden. Plastiktüten sind zwar zahlreich und schädlich, sie machen aber nur einen kleinen Teil des Kunststoffmülls aus. „Wir sollten keine Alibi-Diskussion führen“, warnte Michael Braungart vom Hamburger Umwelt-Institut Epea (Environmental Protection Encouragement Agency). Der Senat solle nach dem Vorbild der Niederlande sein gesamtes Beschaffungswesen auf geschlossene Kreisläufe umstellen.

Die Grünen schlagen vor, der Senat möge zusammen mit der Wirtschaft und den Umweltverbänden Wege finden, Plastiktüten durch umweltfreundliche Alternativen zu ersetzen. Dass Plastiktüten problematisch sind, ist unstrittig. Die EU-Kommission geht davon aus, dass jeder Bürger pro Jahr 500 Plastiktüten an sich nimmt und die meisten davon wegwirft. 65 sind es in Deutschland. „Vor 50 Jahren war die Wegwerf-Plastiktüte kaum bekannt – heute benutzen wir sie ein paar Minuten lang und sie verschmutzen unsere Umwelt für Jahrzehnte“, stellte Umweltkommissar Janez Potočnik fest. Die Rede ist von 400 bis 500 Jahren. Die EU-Kommission erwägt, die Tüten zu verbieten.

Doch nicht nur für die Tüten wird Erdöl verbraucht, nicht nur die Tüten landen verwittert und zermahlen in den Mägen von Tieren, nicht nur die Chemikalien in den Tüten vergiften die Umwelt: Plastiktüten stellen bloß ein paar Prozent der Plastikverpackungen, geschweige denn aller Kunststoffprodukte, dar. „Wir glauben, dass man an anderer Stelle bessere Ansatzpunkte finden würde“, sagte Ulf Ketterborn von der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen (IK) vor dem Umweltausschuss der Bürgerschaft.

Eine Alternative wären mehrfach zu verwendende Kunststofftaschen, mit denen die Drogeriemarkt-Kette Budnikowski gute Erfahrungen gemacht hat. „Jeder Kunde, der mit einer eigenen Tasche in den Laden kam, wurde mit Bonuspunkten belohnt“, sagte Delia Schindler, die Nachhaltigkeitsbeauftragte von Budni. Nach Auslaufen der Aktion startete die Firma ein Einkaufstaschen-Abo: Gebrauchte Taschen können kostenfrei in neue getauscht werden.

Epea-Chef Braungart schlug vor, der Senat solle Einkaufstaschen aus weggeworfenen Textilien fördern. Noch immer landeten mehr als 50 Prozent der weggeworfenen Stoffe im Müll. Er ging aber noch weiter: Der Senat solle nur noch Dinge beschaffen, die beim und nach dem Gebrauch zurück in biologische oder technische Kreisläufe gespeist werden können: Schuhsohlen mit ungiftigem Abrieb, essbare Sitzbezüge, Fernseher ohne Plastik und seltene Erden.

Die Hamburger Hochschulen sollten Positiv-Listen von nicht giftigen Stoffen erarbeiten, die allein für solche Produkte zulässig wären. Hamburgs Design-Ausbildung und -forschung sollte sich auf die Recyclierbarkeit der Produkte konzentrieren. „Wenn man will, kann man diese Umweltdiskussion positiv nutzen und damit Innovationen schaffen“, sagte Braungart. Beispiele genug hat er mit einem Institut erarbeitet.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.