berliner szenen Spätes Vergnügen

Mustafa gewinnt

„Let's do the the timewarp again“, dröhnt es aus den Lautsprechern im „Franziskaner“ in der Dresdener Straße. Es ist Samstag, drei Uhr morgens. Auf dem Weg hierher sind wir zwei 16-Jährigen, für die frische Herbstluft äußerst leicht bekleideten Mädchen begegnet. Von ihren bloßen Bauchnabeln und großen Augen neugierig gemacht, sind wir ihnen in einen überfüllten Spätkauf gefolgt. „Lobe & Kremling“ verkaufen aber weder Tabak noch Bier zu dieser frühen Stunde, sondern Platten. Wir wollen aber Bier und überlassen die zwei Mädchen den Händen von ein paar hippen 20-Jährigen.

Eine halbe Stunde später werde ich im „Franziskaner“ mit dem Soundtrack der Rocky Horror Picture Show in mein eigenes 16-Jahre-alt-sein zurückgeworfen. Allerdings trage ich in der Erinnerung eine Strickjacke und eine Strumpfhose unter meinen Jeans. Rauchen tue ich auch nicht, und ich war noch nie in einem Plattenspätkauf. Aber ich kenne jede Zeile der Rocky Horror Picture Show.

Abrupt werde ich aus meinen Gedanken gerissen durch einen Tisch in der Ecke, der jetzt die musikalische Live-Unterhaltung übernimmt. Ein dunkelhaariger Mann spielt Saxophon, ein glatzköpfiger Dicker trommelt dazu. Vom Barhocker aus schwingt eine etwa 40-jährige Frau ihre Hüften im Takt der Musik.

Zwei meiner Begleiter wollen Billard spielen. Sie seien als Nächstes dran, sagen sie, „gegen Mustafa oder die Weiber zu spielen“. Ich bleibe mit dem dritten Begleiter am Tisch. Er schläft, ich wippe mit dem Kopf zur Musik. Dann kommen die Begleiter zurück, und einer sagt: „Ich spiel nicht mehr.“ – „Warum?“, frage ich. „Weil Mustafa gewinnt“, sagt er und fügt hinzu: „Also ich spiele nur, wenn die Weiber gewinnen.“ MAREIKE BARMEYER