denkmalschutz in Hamburg: Eine Stadt zerstört ihr Erbe

Die Hamburger Hafenbehörde reißt denkmalgeschützte Bauten ab und die Kulturbehörde wacht auf, als die ersten Nebengebäude schon platt sind. Opfer ist ein monumentaler Industriebau aus den 20er Jahren

Monumentales Zeugnis der Industriearchitektur der 20er Jahre: Chemische Fabrik der GEG im Hamburger Hafen Bild: Ulrike Schmidt

HAMBURG | taz „Wo soll die denn sein“, fragen viele Hamburger, wenn man sie nach der Peute fragt. Dabei ist die kleine Elbinsel nur einen Steinwurf von der Innenstadt entfernt. Hier, kurz vor den Elbbrücken, kann man sehen, was das Wort „Industrie“ bedeutet. Es raucht und dampft. Aurubis betreibt hier eine der größten Kupferhütten Europas. Aber auch die Vergangenheit der Peute war groß: Mit der ehemaligen Chemischen Fabrik der Großeinkaufs-Genossenschaft deutscher Konsumvereine (GEG) steht hier eines der anspruchsvollsten Hamburger Industriegebäude der 20er Jahre. Aber nicht mehr lange.

Die Hamburger Hafenbehörde (Hamburg Port Authority/ HPA), die das Gelände vor zwei Jahren erwarb, hat begonnen, den Gebäudekomplex abzureißen – bis sie vom Denkmalschutzamt gestoppt wurde. Die kubischen, auf monumentale Wirkung hin angeordneten Baukörper mit dem groben Klinkerfachwerk seien ein „überragendes und gut erhaltenes Zeugnis der Hamburger Industrie-Architektur“ fanden die Denkmalschützer – leider etwas spät.

Zwei historische Nebengebäude, darunter die ehemalige Spirituosenfabrik, sind schon dem Erdboden gleichgemacht worden. Die HPA, die stadteigene Anstalt des öffentlichen Rechts ist, will auf dem Gelände schnöde Lagerhallen bauen.

Die Bauhütte Bauwohl errichtete den Gebäudekomplex an der Peutestraße 1925. Seit dem 1. Oktober 2010 ist die Hamburg Port Authority (HPA) Eigentümerin.

Geplant ist auf dem Areal der Bau und die spätere Vermietung von modernen Logistikhallen.

Unter vorläufigen Denkmalschutz gestellt hat die zuständige Behörde das Ensemble am 15. Dezember. Trotzdem wurden zwei Nebengebäude abgerissen. Inzwischen wurde ein ordentliches Unterschutzstellungsverfahren eingeleitet.

Einen zentralen Kulturspeicher möchte die Stadt in den Gebäuden unterbringen. Bisher sind die Exponate in 15 verschiedenen Speichern gelagert.

Dabei standen die alten Nebengebäude ebenso wie der gesamte Komplex unter Denkmalschutz. „Wir haben uns bei der Kulturbehörde erkundigt, ob wir abreißen dürfen“, beteuert Alexander Schwertner, Sprecher der HPA. Die Kulturbehörde habe dem Vorhaben nicht widersprochen.

Erst als der Abriss längst im Gange war, hat die Denkmalschutzbehörde, die der Kulturbehörde untersteht, die Anfrage der HPA auf ihre Weise beantwortet – mit der vorläufigen Unterschutzstellung der Bauten. Dennoch wurde weiter abgerissen. „Wir hatten ja schon angefangen“, sagt Schwertner lapidar.

Sofern Private ihr denkmalgeschütztes Eigentum abreißen, hat das eine Strafanzeige zur Folge. Anders ist das bei Unternehmen der Stadt. „Wir streben eine gute Weiternutzung an“, sagt Stephan Nowicki, Sprecher der Kulturbehörde. „Welchen Sinn hätte da eine rechtliche Verfolgung der Vorkommnisse?“

Die Kulturbehörde plant auf der Peute ein Zentrallager für die Hamburger Museen einzurichten, den sogenannten Kulturspeicher. Schon seit 2007 sucht sie nach einem geeigneten Standort. Momentan werden die Ausstellungsstücke an 15 verschiedenen Orten, über Hamburg verteilt, gelagert. Im früheren Hauptgebäude der Chemischen Fabrik mit dem ehemaligen Zentrallager könnten sie unter einem Dach versammelt werden.

Diese ist auch das einzige Gebäude an der Peutestraße, das die HPA sanieren möchte – sofern es sich rechnet. Alle anderen unter Denkmalschutz stehenden Gebäude sollen, wenn es nach der HPA geht, abgebrochen werden. „Es wäre einfach nicht wirtschaftlich, die Gebäude zu sanieren“, sagt Schwertner. Außerdem habe seine Behörde den Auftrag, Hafenentwicklung zu betreiben. „Die Peute ist eine der wenigen Flächen, wo das noch möglich ist“, sagt der Sprecher.

Die HPA bezweifelt, dass es bezahlbar wäre, ein Zentrallager für die Museen in der ehemaligen GEG-Fabrik einzurichten. „Aber wenn man will und genug Geld zur Verfügung hat, kann man ja alles sanieren“, sagt Schwertner. Die HPA habe schon mehrmals bei der Kulturbehörde angefragt, wie weit denn nun deren Pläne gediehen seien. Ein klares Statement fehle aber nach wie vor.

Klaus Lübke, der örtliche SPD-Bezirksabgeordnete, mutmaßt, dass sich die Gespräche so lange hinziehen werden, bis ein Abriss unumgänglich wird. „Das ein stadteigenes Unternehmen wie die HPA so mit dem Denkmalschutz umgeht, ist gelinde gesagt ein Skandal“, schimpft Lübke.

Dabei müsse man nur 300 Meter weiter auf das Elbe-Gewerbezentrum gucken, das in einer ehemaligen Margarine-Fabrik und Kaffee-Rösterei aus den 30er Jahren untergekommen ist. Da habe die Sanierung auch funktioniert und zwar nicht im großen, teuren Stil, sondern in mühevoller Kleinarbeit. Heute wird das Gebäude an Gewerbetreibende vermietet. „Sanieren und vermieten gehören nicht zum Aufgabenfeld der HPA“, sagt Lübke. „Wenn sie dazu nicht in der Lage ist, soll sie das Gebäude abgeben.“ Zu denken wäre dabei auch an private Investoren.

Sollte wenigstens ein Rest der GEG-Fabrik gerettet werden, würde das Elisabeth Essen freuen. Sie lebt seit bald 60 Jahren auf der Peute. Von ihrem Schlafzimmerfenster aus kann die 77-Jährige auf die Fabrik sehen. „Es wäre schon schön, wenn wenigstens ein bisschen alte Peute erhalten bliebe“, sagt sie wehmütig.

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