Australisches Gericht zieht Schlussstrich: „Ein Dingo hat Azaria getötet“

32 Jahre nach dem Verschwinden eines Babys steht fest: ein Wildhund hat Azaria Chamberlain aus dem Zelt seiner Eltern geraubt und getötet.

Musste 32 Jahre auf den lang ersehnten Freispruch warten: Lindy Chamberlain-Creighton. Bild: dpa

CANBERRA taz | „Jetzt können die Wunden heilen. Und die Seele unserer Tochter kann endlich ruhen“. Mit diesen Worten reagierte Michael Chamberlain am Dienstag vor dem Gericht in der australischen Stadt Darwin auf das Urteil, ein Wildhund – ein Dingo – sei für den Tod seiner Tochter Azaria vor 32 Jahren verantwortlich gewesen.

32 Jahre hatte es gedauert, bis Chamberlain und seine inzwischen von ihm geschiedene Frau Lindy einen Schlussstrich unter eine Tragödie ziehen konnten, die ihr Leben bestimmen sollte.

Am 17. August 1980 campte die junge Familie im Schatten des Uluru, des orangen Berges Ayers Rock, wie damals das Wahrzeichen Zentralaustraliens hieß. Lindy legte ihr neun Monate altes Töchterchen Azaria am Abend ins Zelt. Kurze Zeit später hörten die Eltern einen Schrei. Das Kind war weg.

Rasch fiel der Verdacht auf Dingos, Wildhunde, die vor Tausenden von Jahren mit den ersten Ureinwohnern auf den Kontinent gekommen waren. Doch als Lindy vor laufenden Fernsehkameras erklärte, „ein Dingo hat mein Baby genommen“, fehlten die Tränen.

Der scheinbare Mangel an Erschütterung und Trauer über den Verlust ihres Kindes war für die Chamberlains der Beginn eines juristischen Alptraums. Medien und Bevölkerung waren geteilter Meinung, ob die Frau am Tod des Kindes schuldig sei.

Selbst ernannte Experten

Lindy, damals Mitglied einer Freikirche, musste sich Spekulationen über Ritualmord anhören. 1982 wurde die Frau wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt, ihr Mann wegen Beihilfe. Ein Punkt der Anklage war die Behauptung von selbst ernannten „Experten“, Dingos würden ohne Provokation keine Menschen angreifen.

Sechs Jahre später wurden die Urteile aufgehoben, nachdem ein Kleidungsstück des Kindes in der Nähe eines Dingo-Baus entdeckt worden war. Im Verlauf der Jahre bröckelte die Beweislage gegen das Ehepaar immer mehr ab.

Vermeintliche „Blutspuren“ im Auto der Eltern erwiesen sich bei nochmaliger Prüfung als chemisches Material, einige Beweise waren manipuliert worden. Die Glaubwürdigkeit von Experten brach bei näherer Überprüfung zusammen.

Mehrere Angriffe

Trotzdem blieb die Ursache des Todes der kleinen Azaria juristisch ungeklärt. Die Chamberlains kämpften jahrelang weiter für Gerechtigkeit. Nach vier Untersuchungen hatten sie am Dienstag endlich Erfolg.

Unter Tränen sagte Untersuchungsrichterin Elizabeth Morris, es gäbe hinreichende Beweise dafür, dass ein Wildhund die kleine Azaria geraubt habe. Es sei somit davon auszugehen, dass „der Dingo den Tod des Babys verursacht“ habe.

Seit dem Vorfall waren in Australien mehrere Menschen von Dingos angefallen worden. Der tragischste Fall war der Tod eines neunjährigen Jungen am 30. April 2001 auf der Fraser-Insel im Bundesstaat Queensland. Zwei Dingos jagten und töteten das Kind, nachdem es sich vom Zeltplatz und seinen Eltern entfernt hatte.

Das Verschwinden von Azaria ist einer der spektakulärsten Kriminalfälle der jüngeren australischen Geschichte. 1988 war er von Hollywood verfilmt worden. Die Rolle von Lindy Chamberlain in „Ein Schrei in der Dunkelheit“ wurde von Meryl Streep gespielt.

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