Kunsthistorische Korrektur

VERSCHOLLENE GENERATION Porträts und Sticktechnik: Das Jüdische Museum Rendsburg zeigt bis Ende Mai eine große Retrospektive zu Ehren der nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend in Vergessenheit geratenen jüdischen Künstlerin Ilse Häfner-Mode

Ilse Häfner-Modes Werk wird dem Expressiven Realismus zugeordnet

VON ROBERT MATTHIES

Stolz ist Museumsleiter Christian Walda auf das „Kunstprofil“ des Jüdischen Museums Rendsburg. Als Einziges seiner Art in den ehemaligen Täterländern verfolgt das Kulturzentrum seit seiner Gründung vor 25 Jahren den sich selbst auferlegten Auftrag – neben der Vermittlung der Geschichte der Juden einer Region und der jüdischen Religion im Allgemeinen – Werke von Künstlerinnen und Künstlern zu zeigen, die während der Herrschaft des Nationalsozialismus als Jüdinnen und Juden verfolgt wurden und deren Werke auch deshalb heute zum großen Teil in Vergessenheit geraten sind: Als Rehabilitierung im Sinne einer kunsthistorischen Korrektur.

Nach viermonatiger Umbauphase widmet sich die aktuelle Wechselausstellung im Dr.-Bamberger-Haus nun der Düsseldorfer Malerin Ilse Häfner-Mode. Geboren am Heiligabend 1902 in Kempen als Tochter eines Apothekers, wuchs Häfner-Mode in Berlin auf und studierte an den Vereinigten Staatsschulen für Freie und Angewandte Kunst beim jüdischen Maler und Grafiker Erich Wolfsfeld. Dort lernte sie auch ihren späteren Ehemann, den deutschen Maler Herbert Häfner kennen. Anders als Herbert Häfner, von dem sie damals bereits getrennt lebte und der 1939 vor den Nationalsozialisten nach Ceylon flüchtete, konnte Ilse Häfner-Mode nicht mehr rechtzeitig vor Kriegsausbruch fliehen und blieb in Berlin.

Zunehmend litt Ilse Häfner-Mode als jüdische Künstlerin unter der Verfolgung. 1933 erteilten ihr die Nationalsozialisten ein Ausstellungsverbot, der Verein Berliner Künstlerinnen schloss sie ebenfalls aus. Im Verborgenen malte Häfner-Mode weiter, suchte 1942 im ländlichen Leopoldshöhe bei Detmold Zuflucht, wo sie aber von Dorfbewohnern denunziert, im September 1944 schließlich von der Gestapo verhaftet und ins Frauenlager Elben bei Kassel deportiert wurde. Auch im Lager arbeitete Häfner-Mode heimlich weiter, zeichnete mit Tinte und Bleistift. Zu sehen ist im Rahmen der Ausstellung aus dieser Zeit eine Tintenzeichnung, das einzige noch bestehende Dokument dieses Lagers überhaupt. Im April 1945 wird sie schließlich von amerikanischen Truppen befreit.

1955 kehrte Häfner-Mode aus der Schweiz nach Deutschland zurück, lebte zunächst wieder in Leopoldshöhe, zog schließlich nach Düsseldorf, wo sie Ende der 1960er und Anfang der 1970er im Stadtgeschichtlichen Museum und in der Kunsthalle ausstellte. 1973 starb Ilse Häfner-Mode in Düsseldorf.

Insgesamt rund 100 „Bilder im Lebens- und Liebesreigen“ sind bis Ende Mai in den Hinterhäusern zu sehen. Ermöglicht wurde die Ausstellung durch Leihgaben von mehr als dreißig, fast ausschließlich privaten Leihgebern. Der Freundeskreis des Museums hat überdies Häfner-Modes wichtiges Gemälde „Maskerade“ von 1930 für das Museum erworben. Häfner-Mode malte vor allem figurenreiche Kompositionen und Porträts in Öl, aber auch als Aquarellzeichnungen oder in der einzigartigen Technik der Nadelmalerei. Der Kunsthistoriker Rainer Zimmermann ordnete ihr Werk in den 80ern dem Expressiven Realismus und der Verschollenen Generation zu.

Ergänzt wird die Ausstellung durch eine Reihe von Bildern von Häfner-Modes Sohn Thomas Häfner, der Ende der 1950er die Düsseldorfer Künstlergruppe Junge Realisten mitgründete, mit der Künstlergruppe Neuer Realismus ausgestellt und in fantastisch-surrealistischem Stil immer wieder das Trauma der Trennung von der Mutter verarbeitet hat: Auf der Flucht vor den Nazis wurde Häfner als Zehnjähriger allein nach Ceylon verbracht. Zu sehen sind außerdem einige Werke von Häfner-Modes Ehemann Thomas Häfner.

■ Rendsburg: bis 26. Mai, Jüdisches Museum Rendsburg im Dr.-Bamberger-Haus, Prinzessinstraße 7 – 8; Di – So 12 – 17 Uhr; Sonntagsführungen mit Christian Walda: 10. 3., 7. 4., 12. 5. und 26. 5., je 12 Uhr