Sozialdemokratisches Personalroulette: Rotation bei der SPD

Am Samstag wird die SPD auf ihrem Parteitag mit Olaf Scholz erstmals einen Bürgermeister als Parteichef akzeptieren.

Haben Hamburg-Mitte fest im Griff, aber den SPD-Landesvorstand nicht: Schreiber und Kahrs. Bild: dpa

HAMBURG taz |Aydan Özouz soll am Samstag in den Landesvorstand der Hamburger SPD gewählt werden. Das sieht die interne Vorschlagsliste der Parteiführung um den Vorsitzenden und Bürgermeister Olaf Scholz vor, die der taz vorliegt. Damit würde – ein gutes Wahlergebnis vorausgesetzt – die 45-jährige Bundestagsabgeordnete ihre Perspektiven deutlich verbessern. Dann wären ihr die Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl im Herbst 2013 und das Direktmandat im Wahlkreis Wandsbek nicht mehr zu nehmen.

Leidtragender wäre der frühere Hamburger SPD-Chef Ingo Egloff, der zu Gunsten von Özoguz aus Wandsbek vertrieben würde und sich einen anderen Wahlkreis suchen müsste. Hinter den Kulissen hat bereits ein heftiges Tauziehen eingesetzt.

Zunächst aber muss die SPD am Samstag mit einem ungeschriebenen Gesetz brechen. Bürgermeister Olaf Scholz kandidiert erneut als Landesvorsitzender – entgegen der sozialdemokratischen Tradition, beide Positionen personell zu trennen. Bislang mussten Parteivorsitzende bei Eintritt in den Senat ihren Chefsessel räumen.

Scholz hingegen hält die Verbindung dieser beiden Ämter für „gut für die Entwicklung Hamburgs“, sagte er der taz. Er wolle „die Ausrede, für etwas nicht zuständig zu sein, für mich niemals gelten lassen“.

An seiner Wiederwahl besteht kein Zweifel. Dass der dominante Scholz jedoch Ergebnisse erzielt wie 2010, als er mit jeweils rund 98 Prozent zum Parteichef sowie zum Spitzenkandidaten für die vorgezogene Bürgerschaftswahl gewählt wurde, gilt intern als ausgeschlossen. „Alles über 90 Prozent wäre eine Überraschung“, sagt ein führender Sozialdemokrat, „alles da drunter aber ein Warnschuss.“

Richtig eng dürfte es nach dem Tod des Mädchens Chantal für Johannes Kahrs und Markus Schreiber werden. Der Kreisvorsitzende der SPD-Mitte und der wegen des Skandals zurückgetretene Leiter des Bezirksamts Mitte wollen Beisitzer im Landesvorstand bleiben.

Intern ist zu hören, dass beide zumindest im ersten Wahlgang keine Chancen hätten. Und in einem eventuellen zweiten Wahlgang sei das Ergebnis vollkommen offen. Ein Abwatschen der beiden profilierten Parteirechten indes könnte die Machtbalance in der Hanse-SPD ins Wackeln bringen.

Deshalb basteln Kahrs und Ties Rabe, Schulsenator und Kreischef in Bergedorf, bereits an einer feindlichen Übernahme des Wahlkreises Harburg-Bergedorf, wo der frühere Bürgermeister Hans-Ulrich Klose (75) nach drei Jahrzehnten im Bundestag nicht wieder antritt. Sie wollen dort dem Wandsbeker Egloff Asyl geben und den Harburger Kreisvorsitzenden Frank Richter ausbooten.

Seit der Hamburger Bezirksreform gehört der Stadtteil Wilhelmsburg nun zum Bezirk Mitte und deshalb zum SPD-Herrschaftsbereich von Kahrs, bei der Bundestagswahl indes zählt er weiterhin zum Wahlkreis Harburg-Bergedorf. Das macht die Sache kompliziert, ermöglicht aber Kahrs die Einflussnahme.

Zudem will er eine Kandidatur des ihm nicht genehmen Bürgerschaftsabgeordneten Metim Hakverdi verhindern. Der Rechtsanwalt aus Wilhelmsburg verweigert Kahrs offen die Gefolgschaft.

Umkämpft dürfte auch die vakante Direktkandidatur in Hamburg Nord sein. Parteivize Inka Damerau und Wolfgang Rose, der nächste Woche als Landesvorsitzender der Gewerkschaft Ver.di in den Ruhestand geht und ein neues Betätigungsfeld sucht, sind die aussichtsreichsten BewerberInnen.

In Eimsbüttel steht die Wiederkehr des Parteilinken Niels Annen bevor, der 2009 von der rechten Juso-Clique um Danial Ilkhanipour weggeputscht worden war, in Altona ist die Personallage noch offen. Sicher ist hingegen die erneute Kandidatur von Johannes Kahrs in Hamburg-Mitte.

Und an Aydan Özouz, seit Dezember auch stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD, ginge nach der Festigung ihrer Hausmacht in Hamburg auf dem Parteitag am Samstag auch in Berlin kein Weg mehr vorbei. Ein Amt als Ministerin für Soziales und Integration bei einer SPD-Regierungsbeteiligung nach der Bundestagswahl hat sie fest im Blick.

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