Enthauptung in Kreuzberg: "Vielleicht ist die Frau in Angst verharrt"

Hinter jeder Beziehungstat steckt das Denken: "Du bist mein Eigentum!", berichtet die Geschäftsführerin der Hotlinie Hilfe bei häuslicher Gewalt (BIG), Patricia Schneider.

Tatort in der Köthener Straße in Berlin Kreuzberg. Bild: dapd

taz: Frau Schneider, haben Sie schon mal erlebt, dass ein Mann seine Frau tötet und enthauptet?

Patricia Schneider: Ich bin seit 1986 mit dem Thema häusliche Gewalt befasst. Das ist der Höhepunkt an Grausamkeit, was man sich vorstellen kann. Diese Tat macht mal wieder klar, was für ein gravierendes Problem häusliche Gewalt ist – weltweit. Allein in Berlin ereignen sich jährlich viele tausend Taten.

56, ist Diplompädagogin und Geschäftsführerin der Hotline BIG (Hilfe bei häuslicher Gewalt). Sie ist seit 1986 mit dem Thema befasst und hat auch im Frauenhaus gearbeitet.

Das Problem ist lange erkannt. Wo liegt das Schwierigkeit?

Es wird viel getan. Das heißt aber nicht, dass wir nicht noch besser werden können und müssen. Es ist zum Bespiel noch nicht zufriedenstellend gelungen, bis in die Tiefen der Communties hineinzukommen mit unseren Hilfeangeboten.

Ist häusliche Gewalt nur ein Problem der Communties?

Nein. Das zieht sich durch alle gesellschaftlichen Schichten und alle ethnischen Hintergründe.

Im konkreten Fall soll der Mann schon früher gewalttätig gewesen sein. Wie hätten die Nachbarn reagieren können?

Das ist oft das Problem. Nachbarn wollen keine Denunzianten sein. Die Angst, jemanden zu Unrecht zu beschuldigen, hält sie manchmal zu lange zurück, Hilfe einzuschalten. Manchmal ist es auch persönliche Angst, selbst zur Zielscheibe zu werden, wenn man sich einmischt.

Warum fällt es manchen Frauen so schwer, den gewalttätigen Mann zu verlassen?

Gewalt findet oft jahrelang statt. Das hinterlässt Spuren. Die Frauen trauen sich oft selbst nichts mehr zu. Mit sechs Kindern ein eigenständiges Leben zu beginnen, ist auch für jede nicht misshandelte Frau eine sehr große Herausforderung. Wir wissen ja kaum etwas über die Hintergründe. Es kann sein, dass die Frau in Angst verharrt ist. Vielleicht hatte sie gerade zum Ausdruck gebracht: „Ich will gehen.“ Vielleicht hat er ihr gedroht: „Wenn du gehst, bring ich dich um!“ Der Zeitpunkt der Trennung ist der gefährlichste Zeitpunkt in einer Beziehung. Das wissen wir aus Untersuchungen.

Was bietet die BIG- Hotlinie bedrohten Frauen an?

Wir kommen zu ihnen, beraten sie an sicheren Orten und unterstützen sie bei allen Hürden, die sie nehmen müssen.

Wie interpretieren Sie eigentlich den Akt der Enthauptung in diesem Fall?

Auch das eine Form der Machtdemonstration. Im Grunde genommen steckt dieses Denken hinter jedem Tötungsdelikt: „Du bist mein Eigentum. Ich kann damit machen, was ich will.“

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