Bye-bye, Kameraden!

Seit seiner Gründung vor fünf Jahren hat das Aussteigerprojekt Exit 225 Neonazis beim Abschied aus der rechten Szene geholfen, davon 42 in Berlin und Brandenburg. Die Rückfallquote ist niedrig

VON ANNE MÄRTENS

Fünf Jahre nach seiner Gründung hat das Neonazi-Aussteigerprojekt Exit eine positive Bilanz gezogen. Bundesweit habe man 225 Frauen und Männern geholfen, sich aus der rechtsextremen Szene zu verabschieden, sagte gestern Bernd Wagner, der Leiter des Projekts, vor der Presse. Darunter seien 42 Personen aus Berlin und Brandenburg gewesen. Auch habe man betroffene Eltern und Freunde beraten. Die Aussteigerhilfe ist im Jahr 2000 auf Initiative der Zeitschrift Stern und der Amadeu-Antonio-Stiftung eingerichtet worden.

„Wir rennen keinem hinterher“, erklärte Projektleiter Bernd Wagner. Wer aussteigen möchte, müsse sich selbst bei Exit melden. Oberste Priorität des Projekts sei, die Sicherheit der Aussteiger zu gewährleisten. Denn häufig würden sie von ehemaligen Kameraden als „Verräter“ beschimpft und mit Morddrohungen eingeschüchtert. Daher vermittle Exit den Betroffenen zeitweilig einen anderen Wohnsitz.

Zudem ist die Initiative bemüht, zusammen mit den ehemaligen Neonazis die Vergangenheit aufzuarbeiten. Drei hauptamtliche und mehrere ehrenamtliche Mitarbeiter arbeiten für das Projekt.

Derzeit werden 15 Personen aus Berlin und Brandenburg betreut – deutschlandweit sind es 47, berichtete Anetta Kahane, die Leiterin der Amadeu-Antonio-Stiftung. In der Phase des Ausstiegs sei Exit für Ex-Neonazis und deren Sorgen oftmals die einzige Anlaufstelle. Meist ist eine Abkehr von der Szene mit einer Identitätskrise verbunden, so Kahane. Die Erkenntnis, dass die jahrelang vertretene Ideologie falsch gewesen sei, bringe psychische Probleme mit sich, die in Therapiesitzungen aufgearbeitet werden müssten.

Viele Rechtsradikale seien laut Bernd Wagner in ihrer Jugend in die Szene gerutscht und hätten oftmals Schule, Lehre oder das Studium abgebrochen. Das schmälere ihre Berufsaussichten auf dem derzeit ohnehin schon schlechten Arbeitsmarkt. Exit fungiere dabei als wichtiger Ansprechpartner, der den Betroffenen Mut mache. Von den 225 begleiteten Aussteigern sind lediglich sechs wieder in die Szene eingestiegen, weil sie dem Druck der Kameraden nicht standhielten, berichtete der Projektleiter.

„Man findet immer mehr Schlips-und-Kragen-Antidemokraten und immer weniger Skinheads in der rechten Szene“, sagte Anetta Kahane. Damit wollten sich die Neonazis der gesellschaftlichen Mitte anpassen. Exit könne mit seiner Arbeit dem schleichenden Gewöhnungsprozess etwas entgegensetzen.

Die Zukunft der Aussteigerhilfe ist jedoch ungewiss: Ende 2006 würden die Fördergelder eingestellt, sagte Bernd Wagner. Daher sei Exit dringend auf Spenden angewiesen.