Die metallene Silhouette der Welt

Ken‘Ichiro Taniguchis „Hecomis“ – Erinnerungsstücke aus der ganzen Welt – in der Galerie CAI

Überall gibt es etwas zu entdecken. Das wusste schon Dürer, als er sein „Großes Rasenstück“ malte – als einer der ersten Künstler, die erkannten, dass das Große bisweilen im ganz Kleinen zu finden ist. Der 29-jährige Japaner Ken‘Ichiro Taniguchi, der derzeit in der Galerie Contemporary Art International (CAI) ausstellt, ist in gewisser Weise auch so einer: einer, der im Kleinen das Große sieht.

Wie macht er das? Ganz einfach, er läuft durch die Welt, mit dem Blick auf den Boden. Da gibt es all das, was er zufällig findet: Kerben in Mauern und Böden, Umrisslinien von Verfärbungen – der Beginn einer aufwendigen künstlerischen Recherche. Formen, die Taniguchi zusagen, zeichnet er ab oder fotografiert sie. Bis zu diesem Punkt nichts Ungewöhnliches, kaum der Rede wert, tausendmal zu Kunst aufgeblasen gesehen.

Doch Taniguchis Weg ist hier nicht zu Ende: Ausgehend von den Umrisslinien der gefundenen Strukturen, baut der Japaner kleine, sagen wir „Objekte“ aus Kunststoff oder Edelstahl zum Aufklappen, die ebenjene Formen nachahmen. „Hecomi“ – auf Japanisch „Vertiefung“ – nennt Taniguchi diese zusammenklappbaren, mit Schräubchen ausgestatteten Gegenstände, die an exotische Waffen oder teure Taschenmesser erinnern, aus denen alle Messerchen, Feilen und Schraubenzieher geklappt worden sind. Nun ja, der Vergleich hinkt: So etwas hat man wirklich noch nicht gesehen.

Der 1976 in Sapporo geborene Filigran-Baumeister scheint auch sonst ein ganz ungewöhnlicher Typ zu sein. Statt wie andere Menschen mit dem Flugzeug nach Europa zu düsen, benutzt er lieber ein Schiff nach Wladiwostok und von dort aus die transsibirische Eisenbahn. Was sagt uns das? Dieser Mann hat Zeit – oder nimmt sie sich. Zeit, um an seiner „Illustrated Hecomi Map of the World“ zu arbeiten, bestückt mit Erinnerungsbildern aus der ganzen Welt. Eine ganz und gar phantastische Angelegenheit, die nebenbei noch ein gängiges Klischee japanischer Kultur bestätigt: Vor der Kunst kommt die Arbeit und der Fleiß.

Marek Storch

Di–Fr 13–19, Sa/So 13–18 Uhr, Cai Contemporary Art International, Klosterwall 13; bis 4.12