Niedersachsens Regierungschef McAllister: "Durchstechen als Volkssport"

Gegen Indiskretionen und Mediengeilheit: Der Ministerpräsident David McAllister, selbst ein CDU-Mächtiger, grenzt sich vom abgedrehten Berliner Theater ab.

David McAllister mit der Kanzlerin: Sie ist keine, die durchsticht. Bild: dpa

Teil des großen Spiels sein, aber dennoch auf Abstand zu ihm gehen – das versucht David McAllister, 41, Ministerpräsident von Niedersachsen und Mitglied des CDU-Präsidiums. Seit er nicht nur einen der stärksten Landesverbände der CDU beherrscht, sondern auch das Acht-Millionen-Einwohner-Land regiert, muss er selbst jede Woche nach Berlin.

Die politische Kultur dort? Findet er befremdlich. "Dieses Durchstechen aus vertraulichen Sitzungen. Unterm Tisch SMS zu verschicken, das scheint Volkssport in Berlin zu sein", sagt der CDU-Politiker der sonntaz.

Durchstechen bedeutet in Berlin, dass ein Politiker Informationen aus einem vertraulichen Gespräch Journalisten, Lobbyisten oder anderen Politikern zuspielt - strategisch gezielt oder um sich wichtig zu fühlen.

McAllister nennt keine Namen. Aber er kritisiert die Medienfixierung vieler Kollegen in der Hauptstadt. "Es geht manchen zu stark um sich. Die Kameras. Die Scheinwerfer. Man kann auch daran vorbeigehen." Er war nach eigenen Angaben noch nie in den bekanntesten Fernsehtalkshows. Nie bei Jauch, nie bei Will, nie bei Illner, nie bei Plasberg.

"Ich gehe selten in Talkshows. Schon gar nicht am Sonntag. Ich müsste um 13, 14 Uhr aufbrechen", sagt er. Am Sonntagabend wolle er für seine Familie da sein, statt bei Jauch aufzutreten. "Mein Eindruck ist: manche Dauergäste, die da Sonntagabend sitzen, haben kein Zuhause." Einst war es das Credo von Gerhard Schröder, auch mal Regierungschef in Niedersachsen, man brauche für die Karriere "Bild, BamS und Glotze".

Nicht dauernd anfüttern

McAllisters Vorgänger Christian Wulff hatte sich als Ministerpräsident mit Hilfe seines Pressesprechers stark um sein Erscheinungsbild vor allem in der Bild-Zeitung bemüht, die sowohl bei seinem Aufstieg wie beim Absturz eine entscheidende Rolle spielte. Von diesem Stil seines Vorgängers im Umgang mit den Medien grenzt sich McAllister ab.

Auf die Frage, wie er mit dem Boulevard umgehe, antwortet er: "Wer sich meldet, bekommt eine freundliche Antwort. Aber wir machen das nicht ständig proaktiv. Wir beschäftigen uns beispielsweise nicht damit, wie ich in die Boulevardmedien komme. Können wir McAllister mal hier anfüttern oder da anfüttern, dafür hab ich keine Zeit."

Er setzt auf Vor-Ort-Termine in seinem Bundesland. Lieber auf einem Foto mit Gymnasiasten in den Peiner Nachrichten als in die Bunte. Lieber ein O-Ton bei "Hallo Niedersachsen" vom NDR-Fernsehen als eine der vielen Gesprächsrunden bei ARD und ZDF.

Anti Scheinwerfer-Spezies

Dabei sind die Talkshows, die Homestorys, das Hofhalten im Café Einstein fester Bestandteil der Berliner Bühne, auf der sich ihre Protagonisten mit Raffinesse und Lautstärke inszenieren. Mit Wulff und Karl-Theodor zu Guttenberg sind aber schon zwei extreme Vertreter dieses Stils gescheitert. Auch die Kanzlerkandidaten-Ausrufung des SPD-Schachspielers Peer Steinbrück durch Helmut Schmidt ging daneben.

Andere Politiker versuchen sich als Anti-Scheinwerfer-Spezies, inklusive Distanzierung von der Berliner Aufregung. Baden-Württembergs Winfried Kretschmann nannte sich Ostern in der sonntaz einen "Provinzpolitiker durch und durch". SPD-Kandidat Torsten Albig setzt für seinen Wahlkampf in Schleswig-Holstein auf Kleinarbeit vor Ort. Und jetzt McAllister.

Die Abgrenzung zum Polittheater als Gegeninszenierung? "Nein, ich hab da einfach keine Lust drauf", behauptet McAllister. Kommt er mit seinem Konzept durch? Denn nach oben will er schon - und die Niedersachsen-Wahl im kommenden Januar wird das Jahr der Bundestagswahl eröffnen.

Die sonntaz hat McAllister durch Berlin und Niedersachsen begleitet, mit Weggefährten und Kritikern gesprochen und erzählt die Geschichte eines Mannes, der rasant aufstieg, der von der Macht angezogen wird, aber versucht, nicht völlig von ihr aufgesogen zu werden. Wie er mit diesem Zwiespalt umgeht, lesen Sie in der sonntaz vom 28./29. April. Am Kiosk, eKiosk oder im Wochenendabo.Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

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