Kolumne Press-Schlag: Comeback an der Urne

Die Politik gibt sich offen und schickt auch dieses Mal wieder Sportstars zur Präsidentenwahl. Die haben vor allem konservative Präferenzen.

Pierre Littbarski fühlte sich auf dem Platz wohler als im Anzug in der Bundesversammlung. Bild: imago/kicker/liedel

Politiker umgeben sich, system- und kulturübergreifend, gerne mit Sportlern. Russlands Westentaschenzar Wladimir Putin gibt sich gerne als lupenreiner Eishockeyspieler, Fidel Castro inszenierte sich auch im hohen Alter noch als Baseballspieler, und Italiens gefährlicher Politkasper Silvio Berlusconi kaufte sich einst sogar einen Fußballklub, um seinem Volk zu gefallen.

Andere Staaten, die DDR besonders erfolgreich, benutzten den Sport, um im Wettbewerb der Systeme ihre Überlegenheit zu demonstrieren. Alljährlich produzieren US-Präsidenten zuverlässig schöne Bilder, wenn sie den ersten Ball im Finale der Baseball World Series werfen.

Längst hat die deutsche Politik gemerkt, dass sich mit der Nähe zu erfolgreichen Sportlern schöne Schlagzeilen produzieren lassen. Angela Merkel wandelte sich 2006 vom Sportmuffel zum Jubelfan. 2011 marschierte sie dann sogar direkt zur Nationalmannschaft und prägte die propagandistisch wertvolle K-und K-Bilderserie (Kanzlerin und Kabine).

Littbarski als Avantgarde

Und auch wenn am Sonntag Joachim Gauck zum neuen Bundespräsidenten gewählt wird, entsenden fast alle Parteien auch Sportlerinnen oder Exsportler als Wahlmänner oder -frauen in die Bundesversammlung. Eine der ersten Parteien, die auf diese Idee kam, war die NRW-CDU. Die schleifte 1989 den wehrlosen Kölner Fußballstar Pierre Littbarski heran, damit er Richard von Weizsäcker wählt.

ist Autor der taz.

15 Jahre später äußerte sich Littbarski ausführlich zu seiner Nominierung und entwarf dabei ein Bild, das eine fast schon mitleiderregende Vergewaltigung der sportlichen Lebenswelt durch die politische entstehen lässt. Die CDU meldete sich bei Littbarskis Manager, der damals 29-Jährige wurde für die Bundesversammlung „in einen schwarzen Anzug gesteckt“, weil das „sein musste“.

Bei der Wahl musste „Litti“ dann seinen „Zettel langsam in den Topf schmeißen – damit die Fotografen genug Zeit haben“. „Nach der Wahl hatte ich dann meine Schuldigkeit getan und bin schnell nach Hause gegangen – damit man auch ja nichts ruiniert als politikunerfahrener Mensch.“ Littbarski bezeichnete den Vorgang als genau das, was wahrscheinlich nahezu jede Entsendung eines Sportlers in die Bundesversammlung ist: ein „PR-Gag“.

Konservative Dominanz

Trotzdem folgten viele seinem Beispiel und gingen, meist für die CDU/CSU, ins Rennen. Der Sport ist eben eher konservativ. Karl-Heinz Rummenigge (CSU) war dabei, Eisschnelldoperin Claudia Pechstein (CDU), Wimbledon-Sieger Michael Stich (CDU) oder auch Skispringer Jens Weißflog (CDU).

Aber auch die Linke (Extennisstar Claudia Kohde-Kilsch) und die SPD (Ex-Handball-Bundestrainer Heiner Brand, Fußball-Europameister Stefan Kuntz) griffen oder greifen hin und wieder in die Wühlkiste prominenter Sportlernamen.

Die SPD schickt diesmal mit Verena Bentele, Kirsten Bruhn und Vanessa Low drei behinderte Spitzensportlerinnen zur Abstimmung. Ob das wohl etwas damit zu tun hat, dass Friedhelm Julius Beucher, der Präsident des Deutschen Behindertensportverbands, zwölf Jahre für die Sozialdemokraten im Bundestag saß?

Der bekannteste Sportwahlmann geht mit Hertha-BSC-Trainer Otto Rehhagel aber auch dieses Jahr wieder für die Konservativen ins Rennen. Berlins CDU-Innensenator Frank Henkel überredete den „Griechen des Jahres 2004“ zu diesem Comeback. Denn Rehhagel war 1999 schon einmal für die CDU in der Bundesversammlung. Damals kam er, der den Glamour und die Volksnähe des Sports in die Politik tragen sollte, zu einem nüchternen Ergebnis: „Auf der Trainerbank ist es spannender.“

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