Verfassungswidrige Glatze

Hakenkreuz-Tätowierter aus Aachen bleibt erstmal in Haft

Mit Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren kann bestraft werden, wer in Deutschland Hakenkreuze oder SS-Runen öffentlich zeigt – so denn jemand Anzeige erstattet. Offenbar war dies in Aachen aber monatelang nicht der Fall. Erst ein älterer Herr – seine Mutter jüdischen Glaubens und der Vater wegen seiner Kritik am NS-Regime in Hitler-Deutschland inhaftiert – stoppte den heute 25-Jährigen: Der trägt ein sieben Zentimeter großes Hakenkreuz über dem rechten Ohr, dazu ein anderthalb Zentimeter großes Hakenkreuz und SS-Runen auf den Händen.

Tätowiert hatte sich der Skinhead, als er in der Haftanstalt Heinsberg eine Jugendstrafe absaß. Nach seiner Entlassung 2004 lebte er ohne festen Wohnsitz bei Freunden im Kreis Aachen, im Herbst 2004 meldete er sich bei der Arbeitsagentur arbeitslos – rund 800 Euro Arbeitslosengeld erhielt der gebürtige Würselener monatlich, anstandslos.

Trotz sichtbarer Gesichtsrune fiel er erst Anfang 2005 auf, als er im NPD-Shirt Studenten angepöbelt und dabei den Hitlergruß zeigte. Im Frühjahr fühlte sich dann der ältere Mitbürger nach einem Heimspiel von Alemannia Aachen in einer Gaststätte durch die NS-Symbole des Neonazis gestört, rief die Polizei. Die verpflichtete den Rechtsextremen, Mütze und Handschuhe anzuziehen. Da der beides aber später wieder auszog, stellten die Polizisten schließlich eine Strafanzeige. Am 24. Mai kam es erst zur Festnahme.

Am vergangenen Montag musste das Landgericht Aachen über eine Berufung des Hakenkreuzträgers entscheiden. Sein Anwalt sah eine positive Sozialprognose und plädierte darauf, eine im August gegen den Neonazi verhängte Haftstrafe zur Bewährung auszusetzen. Damals hatte das Amtsgericht Aachen den Mann wegen der Symbole, dem Hitlergruß und wegen Schwarzfahrens für zehn Monate hinter Gittern geschickt.

Der 25-Jährige kommt aus desolaten Familienverhältnissen, lebte lange im Heim und hat Alkoholprobleme. Er blickt auf eine vierjährige Haft wegen einer in Alsdorf begangenen Vergewaltigung sowie des sexuellen Missbrauchs eines Kindes zurück. Nach Verbüßung eines Teils der Jugendstrafe kam er auf Bewährung frei. Er schloss sich dann offenbar zeitweise der neonazistischen „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL) an, beging im Jahr 2003 erneut eine Körperverletzung und musste daher die wegen sexueller Gewalt verhängte Reststrafe doch ganz absitzen.

Angesichts jener Vorgeschichte sah das Landgericht jetzt keine positive Sozialprognose. Auch seien keine Bemühungen zu erkennen, dass der Skin die weiterhin gut sichtbaren Symbole entfernen oder übertätowieren lassen wolle. Die Aussage des Inhaftierten, er habe keine Kontakte mehr zur NPD und der KAL, wertete die Kammer nicht als Gesinnungswandel. Die Berufung wurde verworfen. Aus der Haft wird der Tätowierte erst im Frühjahr entlassen – wohl mit Handschuhen und Mütze.MICHAEL KLARMANN