Sprengstoffanschlag beim Drittliga-Spiel: "Die Tribüne hat gebebt"

In Osnabrück steht ein 24-jähriger Fußball-Fan vor Gericht, der beim Spiel gegen Preußen Münster einen Sprengkörper geworfen hat. 33 Menschen wurden dabei verletzt.

Chaos nach dem Spiel: Polizeibeamte kesseln Fans ein. Bild: dpa

OSNABRÜCK taz | Zwei Tage vor dem geplanten Rückspiel des VfL Osnabrück gegen Preußen Münster ist vor dem Osnabrücker Landgericht der Prozess gegen einen 24-jährigen Mann eröffnet worden. Er soll im Hinspiel des hitzigen Drittliga-Derbys am 10. September 2011 im VfL-Stadion in Osnabrück einen Sprengstoff-Anschlag verübt und damit 33 Personen, darunter fünf Kinder, zum Teil erheblich verletzt haben. Der Angeklagte hat die Tat gestanden und sich bei den Verletzten entschuldigt: "Ich hatte einen Blackout."

Der Schwurgerichtssaal des Osnabrücker Landgerichts war voll, als der 24-Jährige auf der Anklagebank Platz nahm. Unter den Zuschauern waren auch einige Münsteraner. Das Polizei-Aufgebot im Gericht wurde erhöht. In seiner Aussage erzählte der 24-Jährige, dass sein Spieltag damals gegen sieben Uhr morgens begann.

Mit einem Kumpel habe er sich am Münsteraner Hauptbahnhof zwei Flaschen Wodka und zwei Packungen Eistee besorgt. In einer Bahnhofskneipe hätten sie dazu einige Biere getrunken. Am Bahnhof hat er sich "Drogen für die Nase" gekauft, wie das Mitglied der Münsteraner Ultra-Gruppe "Curva Monasteria" sagte. Die zwei Gramm Speed habe er sich bis zum Spielanpfiff um 14 Uhr reingezogen, sagte er. Außerdem habe er vier bis fünf Joints geraucht.

Kurz nach Spielbeginn hatte der 24-Jährige dann den Böller gezündet und aus dem Gäste-Bereich in Richtung einer Tribüne geworfen, die mit Osnabrückern besetzt war. Die Osnabrücker Fankurve befindet sich gegenüber des Gästeblocks in etwa 100 Metern Entfernung auf der anderen Seite des Stadions. Der Block neben dem Gästebereich wird traditionell von Familien und "normalen" Fans besucht.

Der Sprengkörper, den der Angeklagte von jemand anders bekommen haben soll und den er in seiner Unterhose in das Stadion geschmuggelt hat, prallte nach Polizeiermittlungen an einem Netz ab, fiel auf das Dach und dann auf den Boden eines ehemaligen Spieler-Tunnels, in dem sich Polizisten versammelt hatten. Dort detonierte der Sprengsatz.

28 Erwachsene und fünf Kinder erlitten Knalltraumen, Verbrennungen und offene Verletzungen. Ein neunjähriger Junge wird lebenslang hörgeschädigt sein, ein zehnjähriges Mädchen steht immer noch unter Schock und leidet an Schlafstörungen. Ein 70-jähriger Mann, der als Zeuge vor Gericht aussagte, berichtete, er habe aufgrund seiner Schwerhörigkeit keinen Schaden erlitten. Er sagte aber: "Die Tribüne hat gebebt."

Der gebürtige Neapolitaner, der seit Ende 2009 in Deutschland lebt, sagte, er habe in Italien etliche Male Gegenstände im Stadion auf den Platz geworfen. Dort sei es üblich, Feuerwerk im Stadion abzufackeln. "Das gehört zur Fan-Kultur." Er habe die Bombe lediglich geworfen, um seiner Mannschaft, dem SC Preußen Münster, zu signalisieren, dass deren Fans anwesend seien.

Der Verteidiger nahm die Strategie seines Mandanten auf. Er zitierte aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach in der Heimat erworbene Einstellungen für Angeklagte strafmildernd seien, wenn sie sich nicht von diesen Vorstellungen lösen könnten.

Am Dienstag in dieser Woche trafen sich die Oberbürgermeister der beiden Städte und appellierten an die Osnabrücker und Münsteraner Fans, beim Derby friedlich miteinander umzugehen. Witterungsbedingt fällt das Derby nun aber aus.

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