Nazi-Blockade in Dresden: Nicht schon wieder abhören

Vor einem Jahr sorgte die Erfassung von Handydaten bei Demonstrationen für Aufruhr. Nun mahnt ein Bündnis, die Polizei solle Grundrechte achten.

Blockade 2011: Alles Verbrecher! Oder doch nicht? Bild: dpa

BERLIN taz | Vor den anstehenden Neonazi- und Gegendemonstrationen am 13. Februar in Dresden haben Bürgerrechtler die sächsische Polizei zur Einhaltung von Grundrechten aufgefordert. In einem am Donnerstag in Berlin vorgestellten unabhängigen Untersuchungsbericht zum Demonstrationsgeschehen vor einem Jahr listete das Komitee für Grundrechte und Demokratie aus Köln zahlreiche Verstöße auf, die sächsische Behörden zu verantworten hätten.

Bei Demonstrationen gegen verschiedene Aufmärsche von Neonazis hatten am 13. und 19. Februar 2011 tausende Menschen in Dresden versucht, gegen die Rechten mobilzumachen und ihre Aufmärsche zu blockieren. Die Polizei hatte dagegen scharfe Auflagen erlassen und war teils massiv gegen die Gegendemonstranten vorgegangen. Später wurde bekannt, dass bei einer massenhaften Erfassung die Handy-Verbindungsdaten tausender Demonstranten gespeichert worden waren.

"Das Hauptproblem in Dresden bestand nicht in der NPD oder den Gegendemonstranten", sagte Wolf-Dieter Narr vom Komitee bei der Vorstellung des Berichts, "das Hauptproblem waren die sächsische Regierung und sächsische Behörden, die teils massiv in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit eingriffen". Das Grundrecht sei nicht von Gruppen des politischen Randes, sondern aus der Mitte der Gesellschaft verletzt worden.

In dem Untersuchungsbericht ist auf 65 Seiten detailliert zusammengetragen, zu welchen Verstößen es bei den Demonstrationen im Februar 2011 staatlicherseits gekommen ist. Neben Juristen und Bürgerrechtlern waren auch Vertreter der Gewerkschaft Ver.di, der Grünen, der Linken und der Bundesarbeitsgemeinschaft "Kirche und Rechtsextremismus" an der Erstellung des Berichts beteiligt.

152 stille SMS verschickt

Die Intensität, mit der sächsische Behörden gegen Demonstranten aus dem linken Lager vorgehen, sorgt bis heute immer wieder für Streit. Am Mittwoch erst hob der hessische Landtag mit Stimmen von CDU und FDP die Immunität der Vorsitzenden der Linksfraktion im hessischen Landtag, Janine Wissler und Willi van Ooyen, auf.

Beide hatten sich im Jahr 2010 in Dresden gemeinsam mit den Linksfraktionen aus Sachsen und Thüringen an einer "öffentlichen Fraktionssitzung unter freiem Himmel" beteiligt, um ein Zeichen gegen die Neonazis zu setzen. Die Dresdner Staatsanwaltschaft wirft ihnen "Rädelsführerschaft" vor. Zuvor war bereits die Immunität des thüringischen Fraktionschefs der Linken, Bodo Ramelow, und seines sächsischen Kollegen André Hahn aufgehoben worden. Das Instrument der Immunität soll politische Amtsträger eigentlich vor politischer Strafverfolgung schützen.

Unterdessen räumte Sachsens Justizminister Jürgen Martens (FDP) ein, dass am 19. Februar 2011 auch sogenannte "stille SMS" versandt wurden, mit denen Personen geortet werden können, ohne dass sie es merken. Wie aus einem Brief des Ministers an den Abgeordneten Johannes Lichdi (Grüne) hervorgeht, der der taz vorliegt, seien an diesem Tag insgesamt 152 dieser SMS versandt worden. Hintergrund sei ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung.

Für den 13. Februar werden in Dresden nun erneut zahlreiche Demonstrationen erwartet. Während Neonazis zu einem sogenannten "Trauermarsch" aufrufen, organisiert die Stadt eine Menschenkette "für Mut, Respekt und Toleranz". Das Bündnis "Dresden Nazifrei" will die Neonazidemo erneut durch Blockaden verhindern. Für den 18. Februar liegen laut sächsischem Verfassungsschutz derzeit keine Hinweise darauf vor, dass Rechtsextreme wie in den Vorjahren wieder einen Großaufmarsch planten.

Das Grundrechtekomitee kündigte an, in diesem Jahr erstmals eigene Beobachter zu den Protesten in Dresden zu schicken, um das Vorgehen der Polizei zu kontrollieren.

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