Streit um Bergbau spaltet das Saarland

Ständige Erdbeben durch einstürzende Gruben haben die Debatte über den Ausstieg aus der Steinkohle neu belebt

Das Nachbarland hat schon vor 20 Jahren die Konsequenz gezogen: Alle Gruben dicht

SAARBRÜCKEN taz ■ Immer wieder bebt die Erde. Zuletzt am vergangenen Samstag nach einer abbaubedingten Erschütterung im Flöz Grangeleisen im Landkreis Saarlouis so heftig wie schon lange nicht mehr. Erdoberflächen brechen in die zu Abbauzwecken gebuddelten kilometerlangen Hohlräume auch unter Städten und Gemeinden ein. Dazu kommen oft irreparable Setzrisse an ganzen Häuserfronten. Und zudem schädigten die nächtlichen Erschütterungen und Explosionen die Gesundheit der Menschen.

Davon überzeugt sind jedenfalls die Mitglieder der Interessengemeinschaft zur Abwehr von Bergbauschäden (IGAB), darunter der Biobauer Mathias Paul aus Piesbach. Dort will die Deutsche Steinkohle AG (DSK) das Flöz Primsmulde abbauen. In der vergangenen Woche hat das Unternehmen dafür schon einmal eine Teilgenehmigung erhalten. Paul befürchtet jetzt nicht nur gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Abbaulärm und Explosionen unter Tage. Ihn plagen Existenzängste. Denn wenn seine Gemüsefelder erst einmal in die zukünftigen Stollen eingebrochen sind, „kann ich hier doch einpacken“, sagt der Landwirt.

Wie es tatsächlich um die Gesundheit der Bergbaugeschädigten bestellt ist, will die Landesregierung jetzt wissenschaftlich untersuchen lassen. Ministerpräsident Peter Müller (CDU) munitioniert sich. Denn nach sechs Jahren der Untätigkeit will Müller jetzt offenbar Ernst machen mit dem schon lange versprochenen Ausstieg aus dem Jahr für Jahr Millionen von Euro an Subventionen verschlingenden Steinkohlebergbau.

Dafür jedenfalls spricht der Widerstand der Landesregierung gegen den Abbau im Flöz Grangeleisen. Dort war es bei Abbauarbeiten wiederholt zu schweren Erdbeben gekommen, die den ganzen Landkreis erschütterten. Das Bergamt Saarbrücken hatte daraufhin schon Anfang November ein mit Sofortvollzug ausgestattetes Abbauverbot erlassen, das vom Verwaltungsgericht wegen eines Formfehlers allerdings wieder aufgehoben wurde.

Doch dann krachte es im Flöz erneut – trotz der Anwendung eines neuen Auswaschungsverfahrens für das Gestein. Die Landesregierung reagierte erneut mit dem Widerruf der Abbaugenehmigung und ordnete den Sofortvollzug an. Die DSK zog umgehend wieder vor das Verwaltungsgericht – und obsiegte am vergangenen Freitag wieder. Am Samstag krachte es im Flöz dann so heftig wie nie zuvor.

Die IGAB aber traut Müller noch immer nicht über den Weg. Zwar habe die Landesregierung in Sachen Flöz Grangeleisen den juristischen Widerstand gegen den Abbau forciert, doch gleichzeitig einen anderen Abbau in der Primsmulde Süd genehmigt, schimpft Ökobauer Paul. Der Ministerpräsident spreche „mit gespaltener Zunge“.

Tatsächlich aber hatte Müller sogar vor protestierenden Mitgliedern der Interessengemeinschaft für den Erhalt der Bergbauarbeitsplätze im Saarland (IGEBAS) erklärt, dass er ungeachtet der neuen Abbaugenehmigung für die Primsmulde Süd am „allmählichen Ausstieg“ aus dem Steinkohleabbau festzuhalten gedenke – und damit einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.

Die SPD warf Müller vor, mit seiner „unbelehrbaren Position gegen den Steinkohlebergbau, die Interessen des Saarlandes verletzt“ zu haben. Landesparteichef Heiko Maas verwies auf die druckfrischen Koalitionsvereinbarungen in Berlin. Darin seien die Kohlesubventionen „auf Druck der SPD hin“ schließlich bis 2008 festgeschrieben worden.

Auch die WASG kritisiert Müllers Haltung „in aller Schärfe“, und die Gewerkschaften stehen in dieser Frage ohnehin geschlossen an der Seite der SPD. Rund 7.000 Menschen arbeiten an der Saar noch im Steinkohlebergbau.

Politische Rückendeckung erhält Müller allenfalls von FDP und Grünen. Das Saarland ist also wieder einmal so gespalten wie zuletzt bei der Volksabstimmung über das Saarstatut 1955. Im benachbarten Frankreich wurden schon vor 20 Jahren radikalere Konsequenzen gezogen: Alle Gruben dicht. Ganz ohne Kohleverstromung sorgt dort seitdem – und auch schon lange im Saarland – das störanfällige AKW Cattenom für elektrische Energie.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT