Sechstes Todesopfer auf "Costa Concordia": Schweres menschliches Versagen

Nach der Schiffkatastrophe vor der toskanischen Küste steigt die Zahl der tot geborgenen Passagiere. Mindestens 14 Menschen stehen noch auf der Vermistenliste - unter ihnen vier Deutsche.

Nach der Havarie werden noch 14 Menschen vermisst. Bild: dpa

ROM dpa | An Bord des gekenterten Kreuzfahrtschiffes "Costa Concordia" hat die Feuerwehr ein weiters Todesopfer entdeckt. Wie die Nachrichtenagentur Ansa am Montagmorgen berichtete, handelt es sich um einen Passagier. Der Tote habe sich auf dem zweiten Deck befunden und eine Schwimmweste getragen. Damit steigt die Zahl der Toten auf sechs. Mindestens 14 Menschen werden noch vermisst. Darunter sind vier Deutsche, ein Paar aus Hessen und zwei Frauen aus Baden-Württemberg.

Das Schiff war am Freitagabend mit mehr als 4200 Menschen an Bord nahe der Insel Giglio vor der toskanischen Küste gegen einen Felsen gelaufen, leckgeschlagen und schließlich auf die Seite gekippt. Gegen den festgenommenen Kapitän der "Costa Concordia" werden schwere Vorwürfe erhoben. Francesco Schettino soll das Schiff zu dicht an die Küste der Insel gelenkt haben.

Am Sonntagabend gingen auch die Eigner des Schiffes auf Distanz: Schweres menschliches Versagen seitens des Kapitäns könnte zur der Havarie geführt haben, hieß es in einer Erklärung der Kreuzfahrtgesellschaft Costa Crociere. "Es scheint, dass der Kommandant Beurteilungsfehler gemacht hat, die schwerste Folgen gehabt haben", teilte das in Genua ansässige Unternehmen mit.

Seit 2006 Kapitän

"Die Route des Schiffs führte offenbar zu nahe an der Küste vorbei, wobei sich die Einschätzung des Kapitäns für einen Notfall nicht mit den von Costa vorgegebenen Standards deckte", hieß es weiter. Der Kapitän sei 2002 als Sicherheitsoffizier zu Costa gekommen und 2006 zum Kapitän ernannt worden. "Wie alle Costa Schiffsführer absolvierte er regelmäßige Trainings."

Die Reederei hob in ihrer Erklärung die Leistung der Besatzung bei der Rettung der Menschen von Bord der "Costa Concordia" hervor. Die Mannschaft habe "tapfer und zügig dabei geholfen, mehr als 4000 Personen in einer sehr schwierigen Situation in Sicherheit zu bringen", hieß es. Dagegen hatten Passagiere von chaotischen Szenen berichtet und über unzureichende Sicherheitsausrüstung geklagt.

Medienberichten zufolge soll der Kapitän mehrfach von der Küstenwache aufgefordert worden sein, wieder an Bord zu gehen, um die Evakuierung seines Schiffes zu koordinieren. Dies habe er jedoch nicht getan. Auch einen "SOS"-Ruf soll es nicht gegeben haben. Einzelheiten zum Hergang des Unglücks erhofft man sich von der Auswertung der Blackbox des Schiffes, die ähnlich wie in Flugzeugen Kommunikation auf der Brücke und Steuerbefehle aufzeichnet.

Mehrere Deutsche vermisst

Eine Frau aus dem hessischen Dreieich hat ihre Eltern als vermisst gemeldet. Das vermisste Paar aus Mühlheim am Main, 71 und 72 Jahre alt, war den Angaben zufolge mit einer Reisegruppe aus dem Raum Aschaffenburg unterwegs. Zudem fehlt von zwei Frauen aus Baden-Württemberg noch jede Spur.

Wie die Polizeidirektionen Biberach und Esslingen am Montag bestätigten, werden eine 66-Jährige aus Laupheim und eine 71-Jährige aus dem Raum Nürtingen vermisst. Sie gehörten einer größeren Reisegruppe an, die auf der "Costa Concordia" war.

Die Angehörigen der beiden Frauen haben nach Angaben der Polizei am Sonntagnachmittag eine Vermisstenanzeige geschaltet. Das Auswärtige Amt in Berlin sprach von "einigen Vermissten", ohne genauere Angaben zu machen.

2400 Tonnen Dieselöl

Nach einem Abschluss der Such- und Bergungsaktion wird vor allem die Frage nach möglichen Umweltbelastungen für die knapp 2400 Tonnen Dieselöl in den Tanks der "Costa Concordia" in den Vordergrund treten. Spezialisten sind bereits auf der Insel, und der italienische Umweltminister Corrado Clini hat für diesen Montag eine Gruppe von Fachleuten nach Livorno eingeladen, um das Problem zu erörtern.

Das zuständige Hafenamt in Livorno hat die Kreuzfahrtgesellschaft in einem Mahnschreiben aufgefordert, unter Berücksichtigung der noch laufenden Suchaktionen "das Schiff zu sichern und abzuschleppen".

Offen ist, ob es etwa bei stürmischer See weiter abrutschen könnte.

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