Das neue Christentum in Israel: Weiblich, asiatisch, christlich

Die arabisch geprägten Christen in Israel sind auf dem Rückzug. Vor allem Gastarbeiter prägen heute das Bild der Christen im Heiligen Land. Ein Ortstermin in Jaffa.

Hat schon viele Christen erlebt, inzwischen mehrheitliche solche aus den Philippinen: St. Peter Kirche in Jaffa. Bild: ap

JAFFA taz | Um die Weihnachtszeit gibt es alljährlich diverse Berichte über die Situation der christlichen Minderheit im Heiligen Land im allgemeinen und in Bethlehem, der Geburtsstätte Jesu, im Besonderen. Es wird erzählt vom Leben hinter jüdischen Sperranlagen in einer muslimisch geprägten Gesellschaft. Denn in den vergangenen Jahrhunderten waren, wenn von Christen im Heiligen Land die Rede war, immer arabische Christen gemeint. Sie waren vor und nach der jüdischen Staatsgründung im Land und haben sich ihre Religion bewahrt. Doch Besatzung und die Intifadas haben inwzischen viele von ihnen aus Israel vertrieben. Die Kirchen im Heiligen Land beklagen seit Jahrzehnten Mitgliederschwund. Kurioserweise bleibt die Zahl der Christen im Heiligen Land proportional zum Bevölkerungswachstum von Juden und Moslems konstant. Der Grund: Die sinkende Mitgliederzahlen der äthiopischen, koptischen, griechischen, armenischen und vor allem arabischen Christen wird seit ein paar Jahrzehnten durch ins Land strömende Fremdarbeiter ausgeglichen. Diese sind großenteils weiblich, asiatisch, pflegen die Alten in Israel – und bleiben für begrenzte Zeit.

Auch andere Fremdarbeiter aus anderen Regionen, ebenso wie Flüchtlinge aus Afrika, verdingen sich als günstige Arbeitskräfte. Sie arbeiten in Küchen oder in der Landwirtschaft um Geld für ein besseres Leben in der Heimat anzusparen und verlassen dann freiwillig das Land – oder werden ausgewiesen.

Gottesdienste in Englisch, Spanisch und Hindi

Ein gutes Beispiel für diesen stillen Wechsel innerhalb der christlichen Gemeinde ist die Anzahl der Gottesdienste der katholischen Kirchen St. Anthony und St. Peter in Jaffa, der alten arabischen Hafenstadt bei Tel Aviv. Dort werden die zwei arabischen Gottesdienste am Samstag durch vier auf Englisch abgehaltene in den Schatten gestellt, die hauptsächlich von philippinischem Pflegepersonal besucht werden. Außerdem werden Gottesdienste in spanisch, französisch für die afrikanischen Migranten, diverse indische und asiatische Dialekte sowie in hebräisch angeboten, für die israelisch assimilierte Jugend und russische Christen.

Für Pater Ramzi Sidawi von der St. Anthony Kathedrale sind diese Neuzugänge eine ziemliche Herausforderung. So kommen Menschen zu ihm, die ihr Kind taufen lassen möchten, aber selbst keine Papiere besitzen. Vor eine paar Tagen, erzählt Sidawi, sei eine Frau gekommen, der ein Visum für zwei Tage ausgestellt worden sei. "Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen, am 13.12. ausgestellt und gültig bis zum 15.12. Irgendwie kommen diese Menschen über die Runden", sagt der Pater. "Niemand weiß wie viele es wirklich sind, aber sie machen die Arbeit, die kein Israeli machen will."

Seine Gemeinde hat um die 1.000 arabische Mitglieder und ungefähr zwanzigmal so viele aus anderen Teilen der Welt, hauptsächlich von den Philippinen. Und das, obwohl es eine eigene Kirche für die philippinische Gemeinde gibt, die Messen nicht nur in Englisch, sondern auch in Tagalog anbietet.

"Die Sprache macht schon einen großen Unterschied", sagt Sidawi. Es gäbe nicht allzu viele Überschneidungen der verschiedenen Gruppen. "Die Inder vermischen sich gerne mal mit den Philippinos, manchmal auch mit der spanisch sprechenden Gruppe, aber abgesehen von Festivals und Gottesdiensten bleiben die Leute zu 80 bis 90 Prozent in ihren eigenen Gemeinden." Dennoch gibt es mittlerweile, wie sich an einem Samstag im Gottesdienst beobachten lässt, einige philippinisch- arabische Familien.

Sie reisen von weither an

Viele der nicht-arabischen Mitglieder kommen mit Bussen zum Gottesdienst, da sie nicht in der näheren Umgebung wohnen, sondern in den Arbeiterbezirken südlich von Tel Aviv. So herrscht ein buntes Treiben vor der Kirche, wenn die Inder abreisen und Philippinos ankommen.

"Sonntags haben wir mehr arabische als englische Messen, weil die Menschen aus der näheren Umgebung auch tagsüber kommen können. Wenn es sich um Lehrer an unseren Schulen handelt, dann müssen sie nicht, so wie alle anderen in Israel, sonntags arbeiten", erzählt Pater Ramzi Sidawi. "Die Pflegekräfte können fast nie sonntags in die Kirche gehen, weil sie arbeiten müssen."

Aber diejenigen, die es sonntags in den Gottesdienst des philippinischen Pfarrers Marcel Ponpon in die Kirche schaffen singen viel, laut und sehr fröhlich zusammen mit dem Chor und deren Tamburine und Gitarre – wer den Text nicht kennt, kann ihn über die Folien auf dem Overheadprojektor mitlesen. Natürlich fehlen sonntags die Kinder, die in der Schule sind und die arbeitenden Männer – also ist die Frauen-Überzahl noch auffälliger als sonst.

Nach dem Gottesdienst übt der Chor noch Weihnachtslieder. "Ich bin seit 30 Jahren in Israel und habe kein Visum-Problem, denn ich habe geheiratet", erzählt Shirley, deren Sohn Pfarrer Ponpon als Messdiener zur Seite steht. "Wir gehen hier sehr warm und freundlich miteinander um in dieser Kirche."

Die arabischen Christen bleiben unter sich

Und man vermische sich schon mal mit den anderssprachigen Gemeinden, sagt Shirley. "Außer vielleicht die Araber, die bleiben offenbar lieber unter sich." Ihre eigene philippinische Gemeinde habe sich in den vergangenen zehn Jahren komplett verändert, sagt sie, viele Mitglieder wurden ausgewiesen.

Auch Pater Ramzi Sidawi erinnert an die vielen rumänischen Gastarbeiter in den frühen Neunziger Jahren. "Ich kenne das Phänomen schon von damals", sagt er. "Sie lebten und arbeiteten in Israel damals – jetzt sind sie verschwunden."

Einige der rund 40.000 philippinischen Christen in Israel haben sich Anfang Dezember zu einer großen Gemeindefeier zusammengefunden und mussten auf eine große Halle ausweichen, da es nicht genügend Platz, Kirchen und Pfarrer mehr gibt um der Mitgliederzahl gerecht zu werden. "Wir sind alle seit 10 Jahren in diesem Chor", erzählt Ronnie mit der Gitarre zwischen zwei Weihnachtsliedern.

Wenn er nicht für den Kirchenchor Gitarre spielt, arbeitet er als Reinigungskraft. Rosa kommt ursprünglich aus Afrika und ist mit 12 Jahren das älteste Chor-Mitglied. "Wir treffen uns nur noch einmal die Woche, weil die anderen alle immer arbeiten müssen", beschwert sie sich. "Früher war es jeden Mittwoch, Samstag und Sonntag!"

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