Streit um Notarzt-Helikopter: Kommt ein Doktor geflogen

Der Krankentransport-Verein KBA fordert einen Notarzt-Hubschrauber für Schleswig-Holstein. Krankenkassen und Landkreise sehen dafür keinen Bedarf.

Bringt den Notarzt schneller zum Unfallort: Hubschrauber, hier auf der Autobahn bei Rostock. Bild: dpa

NORDERSTEDT taz | Gerettet zu werden ist in Schleswig-Holstein im schlimmsten Fall eine Sache von einer Dreiviertelstunde - so lange kann es dauern, bis ein Notarzt am Einsatzort ist.

"Vor allem auf dem Land ist die mangelnde notärztliche Versorgung ein großes Problem", sagt Michael Vollmer, Vorsitzender des Vereins für Krankentransporte, Behinderten- und Altenhilfe (KBA) in Norderstedt. Die Anfahrtswege seien lang und die Bevölkerung alt, also anfällig für Schlaganfälle oder Herzinfarkte.

Mit dem Notarzt-Einsatz-Hubschrauber "Kuno", will die paritätische Mitgliedsorganisation dieses Problem lösen. Denn Kuno bringt den Notfallmediziner schnell zu den Kranken. Müssen sie danach noch ins Krankenhaus, übernimmt das ein Krankenwagen, der mit Rettungsassistenten besetzt ist.

Damit kostet ein Einsatz mit Kuno nur halb so viel wie ein Rettungsflug mit einem der drei Hubschrauber in Schleswig-Holstein, die als fliegende Krankentransporter ausgestattet sind. Eine dreimonatige Testphase im Kreis Segeberg habe gezeigt, dass Kuno gebraucht werde, sagt Vollmer. Der Hubschrauber sei 64 Mal alarmiert worden und habe vier Menschenleben gerettet.

Stephan Bandlow-Hoyer von der Rettungsleitstelle Pinneberg hält Kuno dagegen für überflüssig. "Wir wissen gar nicht, wer uns den Einsatz bezahlt hätte", sagt er. Die Kostenübernahme sei genauso unklar wie die Rechtsgrundlage. Gerufen hat die Leitstelle Pinneberg Kuno nie, es sei kein Bedarf da gewesen. Bandlow-Hoyer glaubt, dass mit Kuno schlicht "Geld verdient" werden solle.

Auch die Krankenkassen sind skeptisch. Dietmar Katzer, Leiter der Ersatzkassenverbände in Schleswig-Holstein, sagt, Kuno könne höchstens eine Ergänzung zur vorhandenen Versorgung sein. Dem KBA wirft er vor, "künstlich einen Bedarf schaffen zu wollen".

Die Krankenkassen setzen auf das sogenannte "Rendezvous-Verfahren". Dabei fährt ein Krankenwagen mit Rettungsassistenten zum Einsatzort, gleichzeitig bricht der Notarzt in einem eigenen Fahrzeug auf. Der Arzt kann so zum nächsten Kranken fahren, ohne ins Krankenhaus zurückkehren zu müssen.

"Rettungswagen mit Assistenten gibt es genug im Land - aber nicht genug Notärzte!", kontert der KBA-Vorsitzende Vollmer. Er vermutet, dass es letztlich die Landkreise sind, die sich querstellen. Sie seien für die Rettungsstruktur zuständig. Würden die Kreise einen Engpass zugeben, könnten sie von Patienten verklagt werden, und es kämen hohe Kosten auf sie zu.

Aus denselben Gründen hätten auch die Rettungsleitstellen kein Interesse an einer besseren notärztlichen Versorgung, sagt der KBA-Vorsitzende. Und die Krankenkassen zögen sich aus der Verantwortung, indem sie auf die Kreise zeigten. "Am Ende sind die Bürger die Leidtragenden", sagt Vollmer.

Volker Dörges vom Universitätsklinikum Kiel bestreitet das. Für mehr Notärzte gebe es keinen Bedarf, meint er. In 70 Prozent der Fälle rücke ein Notarzt aus, ohne dass einer benötigt würde. In 30 Prozent der Fälle sein schon bei der Alarmierung klar, dass der Notarzt medizinisch nicht notwendig sei.

Der Gesetzgeber hält sich aus der Diskussion, ob Schleswig-Holstein einen besseren Rettungsdienst braucht, heraus. Festgelegt ist nur, dass ein Rettungsdienst innerhalb von zwölf Minuten am Unfallort sein muss. Von einem Notarzt ist nicht die Rede.

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