Kommentar Castorproteste: Die Moral des Protestes

Gegen Atomkraft demonstrieren? Es gibt doch einen Ausstiegsbeschluss! Wer so argumentiert, liegt falsch – es geht um die Moral.

Wer jetzt noch gegen Atomkraft und Castortransporte demonstriert, Gleise und Straßen blockiert und tagelange, Millionen Euro teure Polizeieinsätze provoziert, der hat doch was auf die Fresse verdient. Schließlich sind wir Deutschland, einig Atomausstiegsland.

So ungefähr dürfte es so manchem konservativen Politiker dieser Tage durch den Kopf gehen, wenn im Wendland das traditionelle Katz-und-Maus-Spiel zwischen Castorgegnern und Sicherheitskräften zelebriert wird. Selbst der Grüne Winfried Kretschmann findet, Protest gegen Atomkraft habe jetzt keinen Sinn mehr: Es gibt doch einen Ausstiegsbeschluss.

Nach dieser Argumentation kann man auch Pazifisten anraten, ihren Kampf für Frieden einzustellen, weil wir uns in Deutschland nicht mehr totschießen.

Wer Atomkraft für unverantwortlich hält und Fukushima und Tschernobyl als wiederkehrende Tragödien begreift, der würde unmoralisch handeln, wenn er jetzt nicht mehr demonstrierte – und den Rest der Welt mit dem Strahlenproblem alleinließe. Zudem gilt: Solange in Europa Atomkraftwerke stehen, können wir auch hierzulande beim nächsten Super-GAU im schlimmsten Fall ganze Landstriche evakuieren.

Und was ist mit der Endlagerung in Gorleben, gegen die so kräftig demonstriert wird? Bundesumweltminister Röttgen versprach schließlich eine neue, "ergebnisoffene Suche" nach dem besten Standort, eine Forderung der Atomkraftgegner. Problem dabei: Seit Jahrzehnten ist das Thema Endlagersuche ein reines Instrument der Politik. Gorleben musste einfach funktionieren, um Atomkraft zu legitimieren.

Die Geschichte von Gorleben steckt voll Lug und Trug. Da reicht ein nett lächelnder Röttgen nicht aus, um das Misstrauen zu zerstreuen.

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Beschäftigte sich für die taz mit der Corona-Pandemie und Impfstoffen, Klimawandel und Energie- und Finanzmärkten. Seit Mitte 2021 nicht mehr bei der taz.

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