Beinahe-Pleite: Am Tropf der Banken

Bei der Arbeiterwohlfahrt Schleswig-Holstein kommt das Weihnachtsgeld in Raten - dafür ist die Insolvenz abgewendet. Der Verband steckt seit Jahren tief in roten Zahlen.

Haben auf Geld verzichtet, um den Arbeitsplatz zu retten: MitarbeiterInnen der AWO. Bild: dpa

HAMBURG taz | Weniger im Portemonnaie, aber die Firma gerettet: Diesem Argument haben sich die knapp 4.000 Beschäftigten der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Schleswig-Holstein gebeugt. Die Mehrheit stimmte für den Vorschlag der Geschäftsführung, das Weihnachtsgeld in Raten auszuzahlen. Sabine Hebenstein von der Gewerkschaft Ver.di sprach von "Wut, Verärgerung und Enttäuschung" der Mitarbeiter. Die erhalten seit 2010 Gehalt nach einem Not-Tarifvertrag.

Dennoch sei die Ratenzahlung nötig, so Hebenstein: "Die AWO hängt am Tropf der Banken." Um das Weihnachtsgeld sofort zahlen zu können, hätte Geschäftsführer Michael Selck einen Überziehungskredit von 1,9 Millionen Euro aufnehmen müssen. Dies hatten die Hausbanken, darunter die HSH Nordbank und die Commerzbank, abgelehnt. Der nächste Schritt wäre die Insolvenz gewesen.

Der AWO Landesverband ist der zweitkleinste der fünf Wohlfahrtsverbände in Schleswig-Holstein nach dem Diakonischen Werk, dem Paritätischen Wohlfahrtsverband und dem Roten Kreuz. Die AWO ist ein Verein, unter dessen Dach die AWO Schleswig-Holstein gGmbH - das kleine g steht für "gemeinnützig" - und die AWO Service GmbH operieren. Der gGmbH sind mehrere Unternehmensbereiche angeschlossen, darunter die Pflege mit 1.400 Beschäftigten an 50 Standorten.

Eben diese große Zahl teilweise unrentabler Alten- und Pflegeheime könnte schuld sein an den Schwierigkeiten, in denen die AWO seit einigen Jahren steckt. Hinzu kam der Bau einer neuen Geschäftsstelle in Kiel. Der Geschäftsbericht 2009 wies ein Millionendefizit aus. Seit 2010 läuft ein Sanierungsplan. Mit Selck hat ein neuer Geschäftsführer das Ruder übernommen, und die Beschäftigten akzeptierten den Not-Tarif, mit dem sie auf zwei Millionen Euro jährlich verzichten. Teil des Sparpakets ist das deutlich reduzierte Weihnachtsgeld, im Sozialbereich insbesondere bei kleineren Trägern allerdings auch keine Selbstverständlichkeit. "Wir haben den Tanker gedreht, jetzt fährt er in die richtige Richtung", sagte Selck.

Günter Ernst-Basten, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände, wollte zu etwaigen Managementfehlern bei der AWO nichts sagen. "Die Lage zeigt aber, wie schwer es gemeinnützigen Trägern fällt, hohe Standards mit anständiger Bezahlung zu verbinden." Auch bei gesetzlichen Leistungen wie Pflege oder Kinderbetreuung sei der Kostendruck hoch. Und häufig zahlten Kassen oder die öffentliche Hand erst nach monatelanger Verzögerung, die Einrichtungen müssten zwischenfinanzieren. Ernst-Basten kritisierte auch, dass Förderinstrumente wie Hilfen der Bürgschaftsbanken der Sozialwirtschaft nicht zu Verfügung stünden.

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