Kolumne Männer: Erbarmungslos

Single-Männer über 30 Jahren haben einen großen Vorteil. Sie haben es mit Single-Frauen über 30 zu tun – mit Autoaggressiven oder späten Prinzessinnen.

Wenn ich mal groß bin, dachte ich, dann kriegen die blöden Mädchen alles zurück. Oder soll ich es etwa ewig auf mir sitzen lassen, dass Petra nie mit mir knutschen wollte, obwohl ich ihr mit neu erworbener Männerstimme "Little 15" von Depeche Mode auf dem Schulflur vorsang?

War es etwa fair, dass Antje nicht auf mich stand, sondern auf den schnöseligen Sitzenbleiber mit der Gelfrisur? Und sagen Sie jetzt bloß nicht: "Komm endlich drauf klar, die Kränkungen der Pubertät kann niemand rückgängig machen." Doch, das geht. Wenn ich will, kann ich den Mädchen endlich alles heimzahlen, denn ich bin ein Mann in den Dreißigern.

Dafür müssen wir nur ein paar kleine Begriffsänderungen vornehmen: Das Wort "Mädchen" ersetzen wir durch "Frau über 30", und für "knutschen" können Sie sich selbst was Hübsches ausdenken. Der entscheidende Faktor, der mir bei meinem Racheplan in die Hände spielt, ist: die Zeit.

Ein Mann erfährt auf der Geschlechterbörse ungerechterweise schon allein dadurch eine Aufwertung, dass er über 30 ist und Single (oder auch nur andeutet, seine Beziehung kipple). Wer zudem noch Haare dort hat, wo Frauen sie mögen, selbstständig wohnen und geradeaus laufen kann, der erhöht seine Chancen immens.

Denn die bittere Wahrheit ist: Liebesleben und -werben werden mit zunehmendem Alter nicht einfacher. Manche Menschen schaffen es, ihre Verrücktheit und Panik immerhin zeitweise zu verbergen. Den meisten aber, darunter vielen Frauen über 30, gelingt das nicht. Das ist meine Chance.

Die weiblichen Verursacher von Geschlechts-Verkehrsunfällen lassen sich in zwei Kategorien unterteilen: die Autoaggressive und die späte Prinzessin. Die Autoaggressive wähnt sich im Kampf mit einem gnadenlosen, aber stumpfen Gegner. Manche bringen ihre Brüste in statisch gewagten Konstruktionen zu Partys mit. Andere tragen High Heels, die zum Ausschluss aus der Krankenkasse führen können. Gemeinsam ist ihnen ein unschöner Gedanke: Mit Speck fängt man Mäuse.

Bei dieser Strategie gibt es nur Verlierer. Welche Frau will schon ihr Leben mit einem Mann verbringen, der, auf ihr Kennenlernen angesprochen, ehrlicherweise antworten müsste: "Ich hab mich halt in ihre Brüste verguckt"? Und welcher Mann möchte Partner einer Frau sein, die sich mit so einem Kerl begnügt?

Die Prinzessin fährt die gegensätzliche Strategie: Kein Mann ist gut genug, aber die rettende Kavallerie mit dem Prinzen auf dem Schimmel wird schon noch kommen. Ihnen kann ich's ja sagen: Den Prinzen, nee, den gibt's nicht. Hat's nie gegeben. Und deshalb rate ich den interessanten, klugen, gut aussehenden Frauen unter Ihnen: Versuchen Sie's doch mal mit mir.

Ich habe alles, was Frauen von einem Mann über 30 verlangen können: Haare und einen kreativen, aber sicheren Job. Ich "kann mir Kinder vorstellen", natürlich nur mit der Richtigen. Und wo haben Sie die Schuhe her? Wow! Sind die neu? Nur eines noch: Falls ich Sie bei der Verabschiedung nach der ersten Nacht versehentlich Antje oder Petra nenne, ignorieren Sie es einfach. Das hat gar nichts zu bedeuten.

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Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.

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