Streit der Woche: Verfassungsschutz abschaffen?

Neonazis haben jahrelang gemordet, der Verfassungsschutz hat es nicht verhindert. Jetzt lautet der Vorwurf, die Dienste hätten den rechten Terror verschlafen oder unterstützt.

In der Kritik: Bundesamt für Verfasssungsschutz. Bild: dpa

BERLIN taz | Nachdem die rechtsextremistische Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) aufgeflogen ist und mit einer Serie an Morden und Anschlägen mit fremdenfeindlichem Hintergrund in Verbindung gebracht wird, sind die Verfassungsschutzbehörden massiv in die Kritik geraten.

Vor allem dem Landesamt in Thüringen, das seit Jahren immer wieder für Schlagzeilen sorgt, wird vorgeworfen, in seiner Arbeit versagt zu haben. Bundesinnenminister Friedrich (CSU) fordert dringend Aufklärung, warum zwischen der Mordserie und der rechtsextremen Szene über Jahre hinweg kein Zusammenhang erkannt wurde.

In den vergangenen 13 Jahren, in denen ein Nazi-Netzwerk aus Thüringen unbehelligt zehn Morde beging, stand vor allem der Linksextremismus und der islamistisch motivierte Terrorismus im Fokus der Behörden. Allein für den Kampf gegen letzteren hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die Hälfte seiner Ressourcen aufgewendet, erklärte Amtspräsident Heinz Fromm noch vor zwei Wochen. Die Morde mit fremdenfeindlichen Hintergrund wurden unterdessen eher mit den Machenschaften von Mafia-Organisationen als mit einem Nazi-Netzwerk in Verbindung gebracht.

Jetzt stellt sich heraus, dass der rechtsextremistische Untergrund in seinen Strukturen unterschätzt worden ist. Vermutlich ist der NSU aus Thüringen für weitere Anschläge verantwortlich. Die Bundesanwaltschaft hat Ermittlungen wegen eines Anschlags mit einer Nagelbombe 2004 in Köln aufgenommen. Auch ein Anschlag auf eine 19-jährige Deutsch-Iranerin im Jahr 2001 könnte auf das Konto der Gruppe gehen. Die Polizei prüft nun weitere Kriminalfälle mit ausländerfeindlichem Hintergrund.

Noch schwerwiegender als die Tatsache, ein Terrornetzwerk ignoriert zu haben, wiegt der Vorwurf, dass das Amt auf dem rechten Auge blind sei oder sogar mit den Nazis kooperiert haben soll. Die bei den Kriminellen gefundenen Unterlagen sollen eine besondere Qualität gehabt haben. Experten sprechen von Ausweisdokumenten mit falschen Identitäten, die nur der Verfassungsschutz selbst ausgestellt haben könne.

Offiziell weist das Landesamt für Verfassungsschutz in Thüringen jegliche Spekulationen zurück, zu dem Nazi-Trio Kontakt gehalten zu haben, das für mindestens zehn Morde in Deutschland verantwortlich sein soll. Medienberichten zufolge habe jedoch möglicherweise ein Hintermann aus dem Dienst immer wieder vor einem bevorstehenden Zugriff der Polizei gewarnt.

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