HOMOPHOBIE: Kein Grund zur Euphorie

2011 ging die Zahl Übergriffe auf Homosexuelle stark zurück. Das Landeskriminalamt geht allerdings von einer hohen Dunkelziffer aus

Trotz aller guten Stimmung beim jährlichen Christopher-Street-Day-Umzug und sinkender Tendenz: Die Polizei verzeichnete auch 2011 bis Ende September 67 Übergriffe auf Homosexuelle. Bild: Reuters

Auf den ersten Blick sieht es nach guten Neuigkeiten aus: 2011 registrierte die Berliner Polizei weitaus weniger Übergriffe gegen Homosexuelle als in den Vorjahren. Laut Landeskriminalamt gab es in den ersten drei Quartalen 67 Fälle, in denen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientieung Opfer von Kriminalität wurden und dies anzeigten. 2010 lag die Zahl der gemeldeten Übergriffe, die von Pöbeleien bis zu Körperverletzung reichen können, in derselben Zeitspanne bei 98 Fällen.

Doch bei der Vorstellung dieser Zahlen auf der Konferenz des Bündnisses gegen Homophobie betonte Christian Steiof, Direktor des Landeskriminalamtes, am Donnerstag : "Es gibt keinen Anlass zur Euphorie." Stattdessen gehe er von einer hohen Dunkelziffer nicht angezeigter Taten aus. Auch sei der Rückgang der gemeldeten Fälle in diesem Jahr möglicherweise auf eine sinkende Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für das Thema zurückzuführen. Denn in der Zeit der großen Kampagnen gegen Homophobie zwischen 2005 und 2010 sind die Zahlen angezeigter Straftaten stetig gestiegen. Laut Steiof habe dies auch daran gelegen, dass sich Gewaltopfer in einer Gesellschaft ohne Tabus eher trauen, Anzeige zu erstatten. Steiof lobte die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Opferverbänden und dem Berliner Lesben- und Schwulenverband (LSVD) und betonte, wie wichtig es sei, diese weiterzuführen.

Ob dies in Zukunft genauso gut wie bisher möglich sein wird, schien auf der Konferenz fraglich. Denn dem 2009 auf Initiative des LSVD gegründeten "Bündnis gegen Homophobie" - ein Zusammenschluss von knapp 30 Unternehmen und Verbänden - drohe der Geldhahn abgedreht zu werden, warnte Jörg Steinert, Pressesprecher des LSVD. Das Bündnis sei bisher durch die Senatsverwaltung für Soziales und Integration mit einer halben Stelle und Sachmitteln von rund 10.000 Euro gefördert worden. "Wir erzielen hier mit geringen Mitteln maximale Wirkung, da der Projektleiter viele Fäden zivilgesellschaftlichen Engagements zusammenführt und Kampagnen koordiniert", sagte Steinert.

"Der Bürgermeister wird es schon richten"

Allerdings hat die rot-rote Koalition der Initiative bei der letzten Haushaltsplanung für die Jahre 2012 und 2013 die Förderung gestrichen, wie der anwesende Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit den Konferenzteilnehmern bestätigte. Nach seinem Eindruck herrsche in der Senatsverwaltung die fahrlässige Einstellung, "der Bürgermeister wird das am Ende schon richten, er ist ja selbst schwul". Er versprach, sich bei den rot-schwarzen Haushaltsverhandlungen für die Wiederaufnahme der Förderung stark zu machen.

Damit brachte er das Bündnis allerdings nicht auf den letzten Stand: Laut SPD-Sprecherin Daniela Augenstein wurde die Fortsetzung der Förderung ab 2012 bereits zwischen den künftigen Koalitionären CDU und SPD vereinbart. Die finanzielle Ausgestaltung dieser Absichtsbekundung bleibt freilich abzuwarten.

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