Kommentar Berlusconi: Unterschätzt ihn nicht!

Schon vor einem Jahr drohte Berlusconi der politische Untergang - er konnte sich retten. Auch diesmal ist für ihn noch nicht alles verloren.

Das ist wohl nur in Italien, nur in Berlusconi-Land möglich: Der Premier hat keine parlamentarische Mehrheit mehr, er hat die Partie verloren – doch das Spiel wird noch nicht abgepfiffen.

Stattdessen geht es in die Verlängerung, darf Berlusconi noch ein paar Wochen weitermachen. Dafür gibt es einen unabweisbaren Grund. Beide Häuser des Parlamentes müssen erst das Stabilitätsgesetz verabschieden, in der Hoffnung, so die Spekulation gegen das Land zu stoppen.

Doch erinnern wir uns: Schon vor einem Jahr sah Italien die gleiche politische Konstellation. Berlusconi hatte die Mehrheit im Abgeordnetenhaus verloren, nachdem Gianfranco Fini samt seinen Anhängern mit ihm gebrochen hatte. Das Misstrauensvotum war eigentlich nur noch Formsache, doch Berlusconi bekam einen Monat Gnadenfrist, um noch den Staatshaushalt verabschieden zu können – schließlich mussten "die Märkte" ruhig gehalten werden.

ist Italien-Korrespondent der taz.

Der Regierungschef nutzte damals diesen Monat, um sich eine neue Mehrheit zusammenzukaufen – plötzlich stand der Verlierer erneut als Sieger da. Auch jetzt ist zu erwarten, ist zu befürchten, dass es Berlusconi nur vordergründig um die Stabilität Italiens geht, dass er vor allem erneut versuchen wird, in letzter Sekunde seine Haut zu retten.

Sein erstes Ziel ist offenkundig, jede politische Alternativlösung zu durchkreuzen, vorneweg die einer Übergangsregierung "der nationalen Rettung" unter Ex-EU-Kommissar Mario Monti. Dann schon lieber Neuwahlen, mit einem von Berlusconi ausgesuchten Kandidaten. Oder gar ein weiterer Versuch, eine neue Mehrheit zusammenzukratzen – völlig unrealistisch ist das nicht, denn dutzende Hinterbänkler fürchten einen schnellen Urnengang, bei dem sie nicht wieder aufgestellt würden.

Doch eines ist völlig anders als letztes Jahr. Diesmal stimmen "die Märkte" mit – am Dienstag kletterte der Spread gegenüber Deutschland auf den neuen Rekordwert von 500 Punkten, waren fast schon 7 Prozent Zinsen auf italienische Staatsanleihen fällig. Und weder die Märkte noch Europas Regierungen noch EU-Kommission und IWF werden tatenlos zuschauen, wenn Italiens Situation sich weiter dramatisch zuspitzen sollte.

Ein politisches Überleben Berlusconis erscheint deshalb höchst unwahrscheinlich – doch ein gangbarer Ausweg aus der politischen Krise und damit aus der Vertrauenskrise Italiens muss erst noch gefunden werden.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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