Der im Müll schaufelt

Phillip Boa, seinem eigenen Charme noch nicht ganz erlegen, gastiert im Grünspan

Lord Garbage hat er sich einmal genannt – und damit liegt er gar nicht falsch: Phillip Boa ist bis heute der schillernde Arrangeur des Dunklen, des Grüblerischen, des Seelenmülls. Seit der Gründung des legendären Voodooclub aalt sich der gebürtige Dortmunder äußerst wohlig im eigenen Charisma: früher als männlicher Part des furiosen Gesangsduos mit Pia Lund, eine reichlich schrille Ruhrpottvariante der englischen Pop-Exzentriker Mark E. und Brix Smith, irgendwo zwischen Punk-Rotznäsigkeit und den vielen Niedlichkeiten des Pop.

Gleich sein Debütalbum Philister aus dem Jahr 1985 hatte sich klammheimlich in die Redaktionsstuben der englischen Musikfachmagazine eingeschlichen – als charmante, teutonische Variante des Indie-Rocks.

Nur wenigen deutschen Gruppen war so viel Applaus vergönnt: dem Foyer des Arts, den Einstürzenden Neubauten, der Freiwilligen Selbstkontrolle und eben Phillip Boa, der bis heute in jenem Graben schaufelt, der die Rockmusik vom Pop trennt.

Nach dem Abschied von seiner langjährigen Lebenspartnerin und Sängerin Pia Lund wollte sich der 1963 geborene Sänger zuerst ganz aus dem Musikgeschäft verabschieden. Doch dann nahm er einige Soloalben wie etwa My Private War auf. Und jetzt ist Boa mit dem im vergangenen Jahr erschienenen Comeback-Album C90 wieder da – mit Pia Lund und dem reformierten Vodooclub, der ganz ähnlich lärmt wie schon Ende der achtziger Jahre: Zwar experimentiert Boa mit Elementen elektronischer Musik, doch ist es fast immer die verzerrte E-Gitarre, die am lautesten brüllt.

Ansonsten bleibt alles beim Alten: die Soundgewitter aus Keyboard und Sampler, das manische Trommeln, die verzerrten Gitarren, die wunderbaren Melodien wie einst Container Love: ein großes Ja zum Pop – und auch ein Nein dagegen.

Marek Storch

Di, 29.11., 20 Uhr, Grünspan (Große Freiheit 58)