Neue chinesische Musikplattform: Baidu kündigt Piratenfreundschaft auf

Baidu startet mit "Ting" einen legalen Online-Musikdienst - nach einem Deal mit westlichen Plattenfirmen. Jetzt ist Schluss mit den Links auf Plattformen mit unlizensierten Sounds.

Ting ist das neue Ding. Tabelle: Baidu Ting

Bisher galt Baidu als Heimathafen der Internetpiraterie. Der größte chinesische Suchmaschinenanbieter – er hält 74 Prozent des Marktes – landete sogar auf den ersten Platz der schwarzen Liste des US-amerikanischen Branchenverbandes der Musikindustrie (RIAA), noch vor illegalen Austauschplattformen wie etwa Pirate Bay. Denn über baidu.com sind mit Stichwörtern wie "mp3" oder "Download" Websites einfach zu finden, auf denen Songs zum illegalen Herunterladen verfügbar sind. Solche Treffer werden dagegen bei Google oder Bing gefiltert.

Nun startet Baidu einen legalen Musikdienst. Auf "Ting" steht lizenzierte Musik zu Verfügung, die die UserInnen entweder kostenlos streamen oder gegen eine pauschale Geldsumme herunterladen können. Neben der fixen Gebühr fürs Downloaden wird der Musikdienst durch Werbung finanziert.

Um die neue Plattform mit internationaler Musik zu versorgen, hat das Unternehmen kürzlich eine Vertriebsvereinbarung mit One-Stop-China getroffen. Hinter diesem Namen steckt das chinesische Joint Venture von Universal Music, Sony Music Entertainment und Warner Music. Die großen Plattenfirmen erzürnten sich bis dato über den sorglosen Umgang Baidus mit dem Urheberrecht. Mehrfach hatten sie gegen das Beijinger Unternehmen vor chinesischen Gerichten geklagt - jedoch ohne Erfolg, da die Richter Baidu jedes Mal zugute hielten, dass die Suchmaschine nicht selbst illegale Inhalte anbietet.

Genaue Inhalt des Vertrags nicht bekannt

Jetzt setzt der neue Vertrag den jahreslangen Rechtsstreitigkeiten ein Ende. Durch ihn gewähren Universal, Warner und Sony der Suchmaschine Zugriff auf ihre Kataloge, sowohl auf das vorhandene Musikarchiv als auch auf neue Veröffentlichungen innerhalb der nächsten zwei Jahre. Im Gegenzug werden die Rechteeigentümer für jedes Abspielen und jeden Download eine kleine Summe bekommen.

Auch wenn der genaue Inhalt des Vertrags nicht bekannt ist, vermuten Experten, dass Baidu den drei Major-Labels auch Daten über seine UserInnen und deren Umgang mit Musik liefern wird. Für die Plattenfirmen wäre dies ein Mittel, das chinesische Publikum besser einschätzen zu können und dementsprechend ihr dortiges Marketing zu verfeinern.

Ting ist ein wesentlicher Teil der neuen wirtschaftlichen Strategie, mit der Baidu gegen die zunehmende Konkurrenz durch andere chinesische Suchmaschinen wie Tencent oder Alibaba. Der Suchmaschinenanbieter setzt nämlich auf Diversifikation. In den vergangenen Jahren hatte er schon eine eigene Online-Enzyklopädie, eigene Dienste für elektronischen Handel, Videos, Stadtpläne und ein eigenes soziales Netzwerk gestartet.

Wenn Ting nun denselben Erfolg wie andere legale Musikplattformen erzielt, wird Baidu seinen strategischen Umschwung nicht bereuen. Denn der schwedische Anbieter Spotify und sein französischer Konkurrent Deezer zählen in ihren Verbreitungsgebieten jeweils schon mehr als 10 Millionen NutzerInnen. Ting muss aber auf seiner Rechnung haben, dass in China laut Angebe des Weltverbandes der Phonoindustrie derzeit 99 Prozent der Online-Musik illegal aus dem Netz gezogen wird. Ob die Sitten der chinesischen InternetuserInnen sich so einfach verändern lassen, bleibt fraglich.

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