MEDIZIN IM STRAFPROZESS: Keine Mercedes-Zähne

Der Bremer Peter G. steht wegen Betrugs vor Gericht, weil er seinem Zahnarzt vorgegaukelt haben soll, er könne sich ein neues Gebiss im Wert von 28.000 Euro leisten

Nicht jeder Zahn bekommt die gleiche Behandlung. Bild: DPA

Mercedes oder Tretroller? Wenn es um Zahnersatz geht, dann scheint es zwischen diesen beiden Varianten nicht viel zu geben. Das legt derzeit ein Betrugs-Prozess vorm Bremer Amtsgericht nahe. Angeklagt ist dabei der 64-jährige Peter G., ein ehemaliger Rechtsanwalt, der nach Angaben der Staatsanwaltschaft zuletzt nur noch als "Minijobber" 450 Euro monatlich verdiente.

Obwohl er laut Anklage bereits im März 2009 eidesstattlich versichert hatte, er sei pleite, soll er im August desselben Jahres seinen Zahnarzt mit einer teuren Behandlung beauftragt haben.

Für rund 28.000 Euro hätte Eike H. seinem damaligen Patienten ein neues Gebiss eingesetzt - nicht zum Herausnehmen, sondern mit festen Implantaten - so sah es der Kostenvoranschlag vor. Die Rechnung, die Peter G. schließlich bekam, war etwas niedriger, denn der gleichaltrige Eike H. gab ihm rund 5.000 Euro Rabatt.

Ein Freundschaftspreis, da die beiden einen gemeinsamem Bekannten hatten und sich sogar wenige Mal auf ein Glas Wein getroffen hatten. Über Berufliches hätten sie sich dabei nicht unterhalten, erinnert sich der Zahnarzt. Er sei davon ausgegangen, dass G. Rechtsanwalt ist. Das habe G. auch seinen Mitarbeiterinnen gegenüber behauptet.

Im Anmeldebogen hatte G. richtigerweise nur "Jurist" eingetragen. Ob ihm dieser Unterschied denn nicht geläufig sei, fragt G.s Anwalt. "Nein, ich bin davon ausgegangen, dass er mich als Anwalt nicht betrügen würde, er hätte ja einen Ruf zu verlieren gehabt."

Deshalb sei er auch nicht misstrauisch geworden, erzählt H., als ihm der vermeintliche Anwalt erklärte, er habe 300.000 Euro in Italien fest angelegt. An die er aber erst im Jahr 2010, also wenige Monate nach Behandlungsbeginn, herankommen würde. "Im Januar haben wir dann telefoniert, da hieß es, er sei jetzt in San Remo, das Geld sei weg, aber er könne zahlen, weil er sich einen Teil von seinem Anlageberater zurückholen wollte, der ihn mit zwielichtigen Papieren betrogen hatte."

G. gab an, ein Opfer der Lehman Brothers Bank zu sein, die im September 2008 Insolvenz angemeldet hatte, woraufhin Anleger in der ganzen Welt ihr Vermögen verloren hatten. Darauf, sagt H., habe er die Rechnung wie üblich ans Inkasso-Unternehmen geschickt. "Die haben den Auftrag aber wegen schlechter Bonität des Patienten abgelehnt." Danach, so H., habe er G. noch einmal selbst eine Rechnung gestellt. Und der habe immer neue Zahlungstermine in Aussicht gestellt - bis er schließlich "die Straßenseite wechselte, wenn ich ihn traf".

Der Angeklagte sagt nichts zu den Betrugsvorwürfen. Dafür wirft sein Anwalt dem Arzt vor, das medizinische Ethos verletzt zu haben. "Wenn das eine notwendige Behandlung war, warum spielte die Bonität dann überhaupt eine Rolle?", fragt er, und ob H. als Arzt nicht zur Behandlung verpflichtet sei.

Das schon, sagt H., "aber nicht zur Luxusvariante". Und dann fällt der Fahrzeugvergleich: "Es ist ja auch nicht notwendig, Mercedes zu fahren", so der Dentist. Die gesetzliche Krankenversicherung bezahle nun einmal nicht das, was wohl die meisten Menschen wollen - ein festes Gebiss.

Da G.s Zähne aber nicht zu retten gewesen seien, hätte er ihm eine Zahnprothese anpassen müssen. Die billigste aus Kunststoff für 600 Euro. "Ein Tretroller", findet H. "Es ist schrecklich, so etwas zu haben, das macht die restlichen Zähne kaputt und verrutscht ständig."

Glücklich mit seinen neuen Zähnen ist er jedoch auch nicht. Er wirft dem Zahnarzt vor, schlecht gearbeitet zu haben - und leitet daraus ein Recht ab, nicht zu zahlen, was er ohnehin nicht hätte zahlen können: "Ich habe kein einziges Implantat", beschwert er sich, "das sind nur Brücken, die ich hier jetzt alle herausnehmen könnte!" Dies liege daran, dass G. nicht mehr zur Behandlung erschienen ist, entgegnet der Zahnmediziner. Die vorläufige Befestigung hätte nach und nach durch eine feste ersetzt werden sollen.

Ob H. Behandlungsfehler unterlaufen sind, soll nun ein Gutachten klären.

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