RASSISMUS: Polizei verschreckt Kinder

Zwei Kinder werden erkennungsdienstlich behandelt, obwohl sie nichts verbrochen hatten außer an einer Haltestelle auf die Straßenbahn zu warten.

Wie man das Vertrauen von Kindern gewinnt, wusste die Polizei schon immer. Bild: dpa

Nein, das R-Wort kommt Ali C. und Saygili N. nicht über die Lippen. Rassisten wollen sie die Polizisten, die ihren elf- beziehungsweise zwölfjährigen Sohn wie Straftäter erkennungsdienstlich behandelten, nicht nennen. Ob zwei blonden Jungs dasselbe passiert wäre, ist keine Frage, die sich die beiden Männer aus Kattenturm stellen wollen. Ihnen geht es um etwas anderes: Um das Vertrauen ihrer Kinder zur Polizei. "Wie sollen sie das jetzt noch haben?", fragt Ali C.. "Die haben Angst!"

Sein Sohn Can ist zu schüchtern, um zu erzählen, was am Abend des 3. Juni nach einem Schwimmbad-Besuch geschah. Also berichtet sein etwas älterer Freund Ismail: "Wir waren im Stadionbad und wussten nicht, wie man von dort wieder weg kommt."

Deshalb hätten sie sich einer Gruppe von Kindern und Jugendlichen aus ihrem Stadtteil angeschlossen und mit ihnen an einer Haltestelle gewartet. Ihr Pech: Drei Jungs - zwei Zwölfjährige und ein Dreizehnjähriger - aus dieser Gruppe hatten vorher drei gleichaltrige Mädchen angegriffen und dabei verletzt. "Dann kam die Polizei und einige sind weggelaufen, aber wir nicht, weil wir hatten ja nichts gemacht", erzählt Ismail.

Doch obwohl die Täter schnell identifiziert waren und klar war, dass Ismail und Can nichts mit dem Angriff zu tun hatten, mussten sie Name und Anschrift nennen und - das ärgert Cans Vater besonders - sich fotografieren lassen. Außerdem sei ihnen mit Festnahme gedroht worden, sagt Ismail. "Ein Polizist hat gesagt: ,Wenn ihr nicht leise seid, nehmen wir euch mit aufs Revier!'"

Über all das wollte sich Ali C. am nächsten Tag beschweren - und biss auf Granit. Eine Anzeige oder Beschwerde nahm weder das Revier in der Innenstadt noch das in Kattenturm an. Auch die von ihm verlangten Fotos bekam C. nicht ausgehändigt. Stattdessen hieß es plötzlich, auch sein Sohn müsse sich auf eine Anzeige gefasst machen.

Was Can verbrochen hat? Das kann auch Dirk Siemering, Pressesprecher der Bremer Polizei, nicht sagen. Weder zu Cans Namen noch zu dem seines Freundes findet sich ein Eintrag. "Das Ermittlungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen", sagt Siemering.

Dann schildert er zwei Mal den Tatablauf, wie ihn die Polizei rekonstruiert hat. Danach wurden die drei Mädchen mit Glas und Pflastersteinen beworfen, eins am Kopf gepackt und gegen ein Tor geschleudert. Zwei von ihnen mussten wegen Schmerzen im Arm im Krankenhaus behandelt werden. "Drei Jugendliche wurden als Tatverdächtige identifiziert und auf der Wache vorgeführt." Warum man die "Nicht-Beteiligten" aus der Gruppe, wie Siemering sie nennt, - darunter Can und Ismail - nicht einfach laufen ließ, kann er zunächst nicht erklären. Später zitiert er den Polizeibericht: "Für eine spätere Zuordnung der Personen wurde vor Ort jeweils ein Foto gemacht." Und wozu bräuchte es eine Zuordnung? "Die Zeugenbefragung war noch nicht abgeschlossen, man weiß vorher nicht, was bei einer Vernehmung im Krankenhaus noch herauskommt."

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