Kommentar Kirchentag: Das Fernsehen des Teufels

Die evangelischen Christen reden in Dresden über fast alles. Auch über Erziehung und TV. Aber wer das Fernsehen nicht aushält, hat im Leben keine Chance mehr.

Eines der Testbilder des Teufels.

DRESDEN taz | Es gibt unter Christen Themen, die sich von selbst verstehen. Etwa: dass Fernsehen des Teufels ist. Prof. Dr. Peter Winterhoff-Spurk, Medien- und Organisationspsychologe, wusste darauf am Donnerstag in der "Podienreihe Lebenskunst" hinzuweisen. Ja, er mahnte stark. "Balanceakt Erziehung? Die Antwort heißt: Ausschalten." Er bekam, natürlich, wir sind ja unter kulturkonservativen Klischeedreschern, Beifall in der Martin-Luther-Kirche.

So möchte man, mit Hinweis auf das Kirchentagsmotto "… da wird auch dein Herz sein", doch einmal Dissens anmelden, zumindest ein Stück weit: Das Fernsehen hat vermutlich mehr zur christlichen Wahrhaftigkeit und damit zum Ende abergläubischer Spökenkiekerei beigetragen als alle postlutherische Aufklärung. Das Fernsehen selbst ist ja ein Vernunftangebot - selbst in seinen unvernünftigsten Momenten.

Wer das Fernsehen nicht aushält, hat im echten Leben keine Chance mehr, dem wird das Herz verdorren und der Puls erlahmen. Wer die Kunst der Meditationen vor Bildschirmen nicht zu wertschätzen weiß, wer immer nur Verderbnis und Manipulation wittert, glaubt nur, ein Herz zu haben - ist ein Wahrheit ein Pharisäer, der nicht möchte, dass man zu Gesichte bekommt, was die Welt an Bildern zu bieten hat.

Keine Scham vor Unfug

Aber solch eine, nun ja, Kritik verhallt auf Kirchentagen ins Irgendwie. Alles möchte Bestimmung und Erweckung, Warnung und Alarm sein. Das könnte verspottet werden. Diese Naivität, dieses giftelnde Spucken auf alle Ironie und Zwiespältigkeit. Aber dieser Medienpsychologe hat das Herz des Tages verdient. Er spricht frank und frei die Sorgen aus, die die meisten Eltern umtreibt. Fernsehen ist unheimlich, eine Instanz des Einflusses jenseits väterlicher oder mütterlicher Erziehung. Fernsehen macht also Angst - und dieser Psychologe bestärkt alle, die sich fürchten und ein banges Herz haben. Das nennen wir: herzensreines Sprechen ohne Scham, womöglich Unfug zu plappern.

Karin Göring-Eckardt im Übrigen, Kirchentagspräsidentin, beantwortete die Frage, was das Thema dieses Kirchentages sei, so: Er habe keines. Alles könne erörtert werden. Und alle sind dabei. Man muss nur den Ton des Bedürftigen treffen, einerlei, wem er gilt. Dann und nur dann gibt es Applaus. Ehrlich ist das Bekenntnis zum Dresdner Allerlei sowieso. Und ist es nicht klug, das Ganze für das Spezielle zu nehmen? Das Leben sieht, persönlich genommen, nichts anderes vor.

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Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin,und des taz Talks, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders des Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan, aktuell auch noch Bayer-Leverkusen-affin. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!

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