Kommentar Atombeschluss: Kräftig feiern, langen Atem behalten

Acht AKWs werden stillgelegt, für immer. Das ist ein großer Etappensieg der Antiatomkraftbewegung. Vor einem Jahr war daran noch nicht zu denken.

Warum feiert niemand in Deutschland den Atombeschluss der Bundesregierung? Die Schlagzeilen weltweit verkünden ihn, nur hier im Land selbst weiß keiner so recht etwas damit anzufangen.

Fassen wir zusammen: Neun Atomkraftwerke werden noch zehn oder elf Jahre weiterlaufen, aber acht für immer stillgelegt. Keine einzige Partei will später aussteigen, einige früher. Die Endlagersuche wird neu aufgerollt, also ebenfalls parteiübergreifend die Festlegung auf den ungeeigneten Standort im Wendland aufgegeben.

Eine schwarz-gelbe Regierung arbeitet ein Schnellprogramm zur Energiewende aus. Eigentlich irre, oder?

Natürlich fehlen noch die entsprechenden Gesetze und damit die so wichtigen Details. Natürlich wäre es besser gewesen, Union und FDP hätten schneller abgeschaltet. Aber die Wende, die Merkel und ihrer Regierung aufgezwungen wurde, konnte politisch nicht brutaler ausfallen.

Noch vor einem halben Jahr sollten nach einem Merkelschen Machtwort die Meiler bis weit nach 2030 laufen, nun ist die Hälfte davon vom Netz.

Das ist ein riesiger Sieg der Antiatombewegung. Sie hat mit großer Zähigkeit die Alternativen gefördert und die Diskussion wachgehalten. Nur deshalb bewegten sich nach der Katastrophe von Fukushima die Wählermassen so entschieden und zwangen Merkel die Kehrtwende auf.

Im Gegensatz zum rot-grünen Atomkonsens aus dem Jahr 2000 gibt es gar keine Opposition mehr, die den Vertrag wieder aufheben will. Natürlich werden die Atomkonzerne vor dem Laufzeitende versuchen, eine weitere Verlängerung zu ergattern. Aber der politische Preis für eine abermalige Wende wäre enorm.

Die Energiewende kann endlich in die nächste Runde gehen und bis 2020 Fakten schaffen. Jetzt, wo das Ende der Atomkraft geregelt ist, muss die Kohle weg - und ein Plan für die Reduzierung des Öl- und Gasverbrauchs her. Vor allem die Abhängigkeit vom Öl und seinen Preisschocks ist neben der Umweltschädlichkeit auch eine Gefahr für die Wirtschaft und die Sicherheit des Landes.

Das alles weiß auch die Industrie. Wie bei der Atomkraft geht es bei der weiteren Energiewende daher nicht um die Einsicht, dass sich etwas ändern muss, sondern um die Geschwindigkeit und den Mut zum Ausstieg. Die Energieaktivisten werden da noch oft gebraucht werden. Aber erst mal Glückwunsch zum Erreichten.

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Reiner Metzger, geboren 1964, leitet taz am Wochenende zusammen mit Felix Zimmermann. In den Bereichen Politik, Gesellschaft und Sachkunde werden die Themen der vergangenen Woche analysiert und die Themen der kommenden Woche für die Leser idealerweise so vorbereitet, dass sie schon mal wissen, was an Wichtigem auf sie zukommt. Oder einfach Liebens-, Hassens- und Bedenkenswertes gedruckt. Von 2004 bis 2014 war er in der taz-Chefredaktion.

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