6. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Krieg um die Dokumente

Die Parteien streiten sich um Papier. Die Verteidigung will nicht, dass vor Gericht FDLR-Dokumente verlesen werden. Das Gericht verliest ältere deutsche Gerichtsurteile.

In Luvungi in der Provinz Nord-Kivu im Osten der Demokratischen Republik Kongo kam es zu einer Massenvergewaltigung. Bild: Yannick Tylle

STUTTGART taz | Zu Beginn des 6. Verhandlungstages am 25. Mai, für den die Verlesung verschiedener Dokumente angesetzt war, legte die Verteidigung Widerspruch ein gegen die Verlesung sämtlicher interner Dokumente der FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas). So solle weder das Manifest der FDLR, noch deren Satzung, Dokumente zur internen Struktur, Resolutionen, Erklärungen sowie Texte der FDLR Homepage verlesen werden.

Zur Begründung sagte sie, es sei nicht nachvollziehbar, welche Dokumente wann von welchen Ermittlungsbeamten des BKA gesichert wurden. Zudem gäbe es keine ausreichenden Aktenvermerke, wodurch die Verteidigung in ihrer Arbeit behindert würde.

Dass die Verteidigung ein Interesse daran hat, dass keine internen Informationen der FDLR in das Verfahren einfließen ist nachvollziehbar, denn sie muss befürchten, dass deren Inhalte Aspekte aus der Anklageschrift bestätigen könnten.

Verlesen wurde schließlich das Karlsruher Urteil von Dezember 2008 über die Ablehnung einer Auslieferung des FDLR-Präsidenten Ignace Murwanashyaka an Ruanda: Angesichts der Angaben Murwanashyakas, dass Familienangehörige 1994 von Tutsi ermordet worden seien bzw. unter unmenschlichen Bedingungen in Ruanda im Gefängnis saßen, sei anzunehmen, dass im Falle einer Auslieferung kein faires Verfahren gewährleistet sei. Da Murwanashyaka zur Zeit dieses Urteils noch asylberechtigt war, sei von möglicher politischer Verfolgung auszugehen.

Nach einstündiger Unterbrechung gab die Verteidigung eine Erklärung zu diesem Urteil ab und forderte unter anderem die Verlesung des ruandischen Haftbefehls von Juni 2008, in dem Murwanashyaka beschuldigt wird, für Verbrechen in Ruanda in den Jahren 1995 bis 1999 verantwortlich zu sein. Dies seien unhaltbare Tatvorwürfe. Zudem würde dies belegen, dass Ruanda weit entfernt von einer Demokratie sei, was auch der Sachverständige Tull bestätigt habe. Das OLG müsse dies berücksichtigen.

Hass in den Augen

Die Bundesanwaltschaft gab eine Erklärung zu ihrer Beweisanregung zum Journalisten Markus Frenzel ab. Dieser solle als Zeuge gehört werden wegen seines ARD-"Fakt"-Interviews sowie wegen seines FAZ-Artikels "Der Warlord". In einem Interview vom 21. März 2011 habe Frenzel behauptet, einschlägige Beweise für Telefonverbindungen und SMS zu kennen, die belegen würden, dass Murwanashyaka den Befehl gegeben habe, "eine humanitäre Katastrophe" anzurichten.

Bei seinem Interview mit Murwanashyaka sei ihm aufgefallen, dass sobald der Begriff "Tutsi" fiel, Hass in den Augen des Angeklagten zu sehen war. Frenzel sähe Murwanashyaka eindeutig als Warlord. Die Verteidigung regte eine Durchsuchung bei Frenzel an, um an die angeblichen Beweise der Abhörprotokolle zu kommen, falls diese der Bundesanwaltschaft nicht vorliegen.

Desweiteren erklärte die Bundesanwaltschaft, eine Einschüchterung von Zeugen durch die ruandische Regierung sei nicht klar belegt; die Urkundenverlesung solle vollständig stattfinden einschließlich der internen Dokumente der FDLR. Die Verteidigung versuche, pauschal die Beweiserhebung zu behindern statt im einzelnen darzustellen, warum welcher Beweis unzureichend sei.

Es wurde ein Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe von April 2009 über das Verbot der Nutzung von email-Kommunikation in Bezug auf die FDLR verlesen. Murwanashyaka habe wiederholt gegen bestehende Auflagen verstoßen, keine politischen Äußerungen oder Publikationen, keine Verherrlichung oder Verharmlosung von Aktivitäten und Verbrechen der FDLR abzugeben.

E-mails verboten

Auf Basis von §54a AufenthG werde nun die Telekommunikation von Murwanashyaka zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Leib und Leben Dritter eingeschränkt. Jedweder Rückhalt für die FDLR aus Deutschland müsse unterbunden werden. Daher werde es Murwanashyaka verboten, E-mails als Mittel der Öffentlichkeitsarbeit oder Übermittlung von Befehlen an die FDLR zu nutzen.

Es wurde auch das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom September 2010 verlesen über die Bestätigung dieses Verbots. Die FDLR sei eindeutig eine terroristische Organisation im Sinne des §54 AufenthG. Murwanashyaka habe sich nie von den Verbrechen der FDLR distanziert. Die UN sähe ihn als Verletzer des Waffenembargos und Planer völkerrechtswidriger Verbrechen. Er habe zudem wiederholt gegen die Verbotsverfügung verstoßen, auch Befehle an die FDLR seien per E-mail versandt worden. Aufgrund seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen müsse Deutschland alle Mittel aufwenden, um die FDLR zu isolieren.

Verlesen wurde auch ein Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe von März 2006 über die sofortige Ausweisung Murwanashyakas. Dieser war zu dieser Zeit illegal in der DR Kongo. Bei einer illegalen Wiedereinreise nach Deutschland sollte er ausgewiesen werden. Murwanashyaka trage unzweifelhaft die Verantwortung für Verbrechen der FDLR. "Die FDLR ist eine Terrororganisation".

Schließlich wurde das Urteil des Landratsamtes des Landkreises Esslingen vom 22. Oktober 2009 zum Verbot politischer Betätigung für Straton Musoni verlesen. Musoni habe sich nie von den Taten der FDLR distanziert. Musonis Anwalt äußerte in dem Verfahren, dass Musoni zwar stellvertretender Präsident der FDLR sei, jedoch nicht politisch aktiv. Demgegenüber stellte das Gericht fest, dass Musoni zuletzt im April 2009 erneut auf die Sanktionsliste der UN gesetzt wurde aufgrund seiner Führungsrolle bei der FDLR. Zudem sei Musoni auch weiterhin gewillt, die FDLR zu vertreten. Sollte Musoni gegen das Urteil verstoßen, gäbe es eine Zwangsgeldandrohung. Ein Verstoß sei mit einer Straftat gleichzusetzen.

Musonis Anwälte legten Verwertungswiderspruch gegen die Urteilsverlesung aus Esslingen ein. Der Listung durch die UN sei kein rechtswirksames Verfahren vorangegangen.

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