Krieg in Libyen: Gaddafi versucht es mit Diplomatie

Mit Angeboten zu Reformen versucht das Regime eine Lösung des Konflikts zu finden. Ein Rücktritt Gaddafis wird aber weiter ausgeschlossen. Der Kampf um Brega und Misurata dauert an.

"Mit diesem Regime kann man nicht verhandeln" - Rebell in der Nähe der umkämpften Stadt Brega. Bild: dapd

ANKARA/TRIPOLIS dpa/afp/dapd/taz | Die Truppen des libyschen Machthabers Muammar al Gaddafi haben am Dienstag die Stadt Brega angegriffen und die Aufständischen erneut zurückgedrängt. Mit Panzern und Raketenwerfern beschossen die Regierungstruppen die strategisch wichtige Ölstadt. Erst am Tag zuvor hatten die Rebellen mit Luftunterstützung der internationalen Streitkräfte Brega eingenommen. Die Soldaten Gaddafis setzten auch ihre Offensive unter anderem auch gegen Misurata im Westen fort.

"Die Situation ist sehr schlecht", sagte der Rebellenkämpfer Kamal Mughrabi. "Wenn die Flugzeuge nicht zurückkommen und angreifen, müssen wir uns zurückziehen." Zwar erreichen immer neue Kämpfer der Aufständischen mit schweren Waffen die Front, doch bislang sind ihnen die Regierungstruppen noch weit überlegen. "Wir können mit ihren Waffen nicht mithalten", sagte Mughrabi.

Bei einem Luftangriff am Dienstagmorgen sei ein Konvoi der Regierungstruppen getroffen worden, sagte Rebellenoffizier Abdel Bast Abibi. Acht Fahrzeuge seien gegen die Stellungen der Aufständischen vorgerückt. Nachdem zwei Fahrzeuge bei dem Angriff getroffen worden seien, hätten die anderen kehrt gemacht, sagte Abibi. Die Kontrolle des Hafens von Brega ist für die Aufständischen von besonderer Bedeutung: Über den Zugang zum Meer könnten sie Öl verschiffen und schwere Waffen importieren.

Bereitschaft zu Reformen

Die Regierung Gaddafis setzt unterdessen seine diplomatische Offensive zur Beendigung des blutigen Konflikts mit den Aufständischen im Osten des Landes fort. Ein echter Kompromiss zeichnet sich aber nicht ab.

Das Regime in Tripolis ist nach eigenen Angaben zu einer Diskussion über politische Reformen bereit. Regierungssprecher Mussa Ibrahim sagte vor Journalisten am frühen Dienstagmorgen in Tripolis, dass jedoch das libysche Volk entscheiden müsse, ob Gaddafi als Führer bleiben solle oder nicht. Von außen könnten Libyen keine Bedingungen aufgezwungen werden, berichtete der arabische Nachrichtensender al-Dschasira weiter.

Es könnten innenpolitisch Vorschläge diskutiert werden, die zu mehr Demokratie, Transparenz, Pressefreiheit und einer Anti-Korruptionsgesetzgebung führten. Gaddafi sei aber das "Sicherheitsventil" für die Einheit des Landes.

Er sei sehr wichtig, um jeden Übergang zu einem demokratischen und transparenten Modell anzuführen. Gaddafi habe keine offizielle Position, er sei jedoch von symbolischer Bedeutung für das libysche Volk. Das Ausland wolle Gaddafi aus eigenem oder wirtschaftlichem Interesse stürzen, sagte Ibrahim. "Viele, viele Libyer wollen, dass Gaddafi den Prozess anführt. Sie haben Angst, dass, wenn er nicht da ist, wir das bekommen werden, was im Irak, in Somalia oder in Afghanistan passiert", sagte Ibrahim laut dem britischen Nachrichtensender BBC.

Die Rebellen lehnten indes die Vorschläge zweier Söhne von Gaddafi zur Konfliktlösung erneut ab. "Dieser Krieg hat der ganzen Welt gezeigt, dass Gaddafis Söhne nicht anders sind als er selbst", sagte Iman Bughaigis laut al-Dschasira. Gaddafi habe seinen Krieg mit Hilfe der Milizen und Söldner seiner Söhne geführt. "Mit diesem Regime kann man nicht verhandeln."

Gaddafis Vize-Außenminister Abdul Latif al-Obeidi traf am Montag in Ankara den türkischen Außenminister Ahmet Davutoglu. Dabei wurde nach Angaben des arabischen Nachrichtensenders al-Dschasira ausgelotet, wie sich das Regime und der Nationale Übergangsrat der Rebellen über eine Lösung verständigen könnten. Die Gaddafi-Regierung wünsche ein schnelles Ende der Kämpfe, hieß es. Einzelheiten wurden zunächst nicht genannt.

Auf einer weiteren Station in der maltesischen Hauptstadt Valletta sagte Ministerpäsident Lawrence Gonzi Al-Obeidi, dass Gaddafi und seine Familie die Macht abgeben müssten.

Afrikanische Union kritisiert die westliche Intervention

Die Afrikanische Union (AU) kritisierte den internationalen Einsatz zur Durchsetzung des Flugverbots über Libyen und forderte einen Waffenstillstand. AU-Präsident Teodoro Obiang Nguema sagte, der Konflikt bedürfe keiner Einmischung des Auslands, er sei ein internes Problem des nordafrikanischen Landes. Der Präsident von Äquatorialguinea bezeichnete die militärischen Bemühungen, eine Flugverbotszone über Libyen einzurichten, als ein "sogenanntes humanitäres Eingreifen".

In Großbritannien meldete sich ein Gaddafi-Sohn zu Wort: Nach Auffassung von Seif al Islam verfügt der ehemalige libysche Außenminister Mussa Kussa über keine neuen Informationen zum Bombenanschlag von Lockerbie. In einem am Dienstag vom britischen Fernsehsender BBC ausgestrahlten Interview nannte er Kussa "krank und alt". Seif al Islam legte nahe, Kussa würde sich "lustige Geschichten" über Lockerbie ausdenken, um straffrei davonzukommen.

Kussa war in der vergangenen Woche nach Großbritannien geflohen und wird dort nun von Regierungsmitarbeitern verhört. Schottische Staatsanwälte erklärten bereits, sie wollten Kussa zu dem Lockerbie-Anschlag befragen, bei dem 1988 270 Menschen ums Leben kamen. "Die Briten und Amerikaner wissen alles über Lockerbie. Es gibt keine Geheimnisse", sagte Seif al Islam im BBC-Interview.

USA beenden Luftangriffe

Die USA haben vorerst ihre Luftangriffe auf Libyen beendet. Die US-Kampfflugzeuge seien in der Nacht zum Dienstag um Mitternacht (MESZ) aus dem internationalen Lufteinsatz zurückgezogen worden, teilte das Verteidigungsministerium in Washington mit. Die Kampfflieger blieben aber in erhöhter Bereitschaft für etwaige Nato-Anfragen.

Ursprünglich hatten die USA bereits am Wochenende ihre Kampfflugzeuge und Tomahawk-Marschflugkörper aus dem Einsatz zurückziehen wollen. Allerdings bat die Nato das Pentagon darum, den Einsatz bis Montag auszudehnen. Dem stimmte Washington zu, nun aber wurde die Beteiligung an den Luftangriffen vorerst eingestellt.

Die Nato hatte in der vergangenen Woche die Führung über den internationalen Einsatz gegen die Truppen des libyschen Machthabers Muammar el Gaddafi übernommen. Die USA wollen nun nur noch eine unterstützende Rolle spielen. Das Land hatte den Einsatz zunächst gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien militärisch angeführt.

Italien erkennt Übergangsregierung an

Unterdessen will Italien die Übergangsregierung der Gaddafi-Gegner in Bengasi anerkennen. Damit ist Italien nach Frankreich und dem Golfemirat Katar das dritte Land, das diesen Schritt unternimmt. "Wir haben beschlossen, den Übergangsrat der libyschen Regimegegner auf bilateraler Ebene als einzig legitimen Gesprächspartner in Libyen anzuerkennen", sagte Außenminister Franco Frattini in Rom. Selbst Waffenlieferungen an die Aufständischen seien nicht ausgeschlossen, wenn auch nur "als letzte Lösung".

Frattini hatte schon vor einer Woche erklärt, es sei unvermeidbar, dass Gaddafi abtrete. Auch Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi wandte sich gegen seinen langjährigen Freund Gaddafi, dieser habe die Kontrolle über das Land verloren. Italien hatte im vergangenen Monat nach Attacken der Gaddafi-Streitkräfte auf die Zivilbevölkerung den bilateralen Freundschaftsvertrag mit Tripolis von 2008 offiziell ausgesetzt.

Rebellen wollen Ölexport ankurbeln

Die Regimegegner in Bengasi versuchen nun, den Export des Erdöls wieder anzukurbeln. Ihre Experten hoffen, in den kommenden Tagen wieder Öl verschiffen zu können, berichtete ein dpa-Korrespondent aus dem Verladehafen Al-Suweitina nahe Adschdabija. Konten für die Abwicklung der Geschäfte seien eingerichtet. Als Vermarkter habe sich Katar zur Verfügung gestellt, erklärte ein Sprecher der Übergangsregierung.

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