Die Folgen der Beluga-Insolvenz: Wer bezahlt das Lösegeld?

Die Insolvenz der Bremer Reederei Beluga könnte fatale Folgen für die Besatzung eines von Piraten entführten Schiffs haben. Reeder Stolberg soll Schiffbau-Kredite an Werften vorbei geschummelt haben.

Britische Marinesoldaten stürmten im vergangenen Oktober den gekaperten Frachter Beluga Fortune. Bild: dpa

BREMEN taz | Zwei Besatzungsmitglieder haben die Piraten erschossen, zwei konnten fliehen, der leitende Ingenieur ertrank, beim Versuch sich zu retten. Die übrigen sieben Seeleute wurden als Geiseln genommen.

Das war Ende Januar. Seither übertönt die Havarie der Reederei die Sorge um die verbleibende Besatzung der vor den Seychellen entführten "Beluga Nomination": "Sie können sicher sein, dass dieses Thema weiterhin ganz oben auf unserer Agenda steht", so ein Sprecher des Anfang März vom Finanzinvestor Oaktree (OCM) übernommenen und insolvent gemeldeten Bremer Unternehmens. Nach wie vor würden dieselben Leute die Verhandlungen führen, in wenigen Bereichen des Konzerns habe sich so wenig geändert.

Die Verhandlungen allerdings stagnieren: Nachdem die Piraten den Frachter in somalische Gewässer geschleppt hatten, gab es am 6. Februar einen ersten Kontakt. Konkrete Forderungen wurden offenbar nicht gestellt. Oft, so der Beluga-Sprecher, ließen die Seeräuber bis dahin "bis zu drei Monate verstreichen".

Früher hätte dann Niels Stolberg die Entscheidung über Lösegeldzahlungen gefällt. Der hat den Konzern gegründet und binnen 15 Jahren zum Weltmarktführer ausgebaut. Vor zwei Jahren, als seine "BBC Trinidad" vor Somalia gekapert worden war, zahlte er nach sechs Wochen rund zwei Millionen Dollar, Besatzung und Schiff kamen frei. Aus welcher Kasse die Summe aufgebracht wurde - hat niemanden gekümmert. Schließlich war Stolberg der Chef.

Jetzt aber liegen die Dinge nicht mehr so einfach. "Ich hoffe, dass die Krise des Konzerns keine Auswirkungen darauf hat", sagt zwar Heike Proske, Generalsekretärin der Seemannsmission. Und der Beluga-Sprecher betont, alle Verantwortlichen würden den Menschenleben Vorrang vor wirtschaftlichen Erwägungen einräumen, das sei ja "eine andere Ebene".

Aber wer das "Go" für derartige Zahlungen geben müsste, wer das Maximum festlegen könnte - es bleibt im Dunkeln. Oaktree-Vizepräsident Roger Iliffe wäre ein Kandidat, seit er die Geschäfte der Beluga Group an sich genommen hat. Allerdings hat er ja für deren Charter-Tochter Insolvenz angemeldet und kurz darauf auch für die Shipping-Gesellschaft.

"Das Thema spielt für die Arbeit des Insolvenzverwalters derzeit keine Rolle", heißt es indessen aus der Bremer Niederlassung der auf Insolvenzen spezialisierten Kanzlei Schultze & Braun. Logisch: Der muss die Geschäfte wieder ins Laufen bekommen - nachdem etliche Emissionshäuser ihre Schiffe von Beluga abgezogen hatten.

Aber ohne seine Zustimmung sind vermögenswirksame Transaktionen nicht möglich. Eigentümer des gekaperten Frachters sind schließlich die 96 Kommanditisten der "Bremer Fortune"-KG, deren persönlich haftende Gesellschafterin die "Beluga Zweite F-Serie Beteiligungs GmbH" ist.

Die aber ist streng genommen keine Konzern-Tochter. Ihr einziger Gesellschafter ist eine natürliche Person: Niels Stolberg, geb. 24.11.1960 hat für die 25.000 Euro Stammeinlage am 11. Mai 2007 gezeichnet, steht im Bremer Handelsregister.

Zwischen Stolberg und den neuen Herren seines Unternehmens aber herrscht Krieg: Während er OCM gegenüber Radio Bremen vorwarf, Beluga "bewusst in die Insolvenz gedrückt" zu haben und seinen Pakt mit dem Hedgefonds als "schweren Fehler" bezeichnete, versucht der, den Selfmade-Mann zu kriminalisieren.

Tatsächlich eröffnen zahlreiche Berührpunkte und mitunter fließende Grenzen zwischen persönlichen Unternehmungen und Konzernausgründungen Grauzonen. So hat Stolberg neben den zur Schiffsfinanzierung dienenden mindestens ebenso viele Kommanditgesellschaften ohne Geschäftszweck gegründet.

Verboten ist das nicht. "Das kann zur Bevorratung dienen", so der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel. Sinnvoll, wenn ein Reeder ans exponentielle Wachstum seiner Flotte glaubt - und schnell handeln möchte. "Aber natürlich lassen sich da auch Gelder hin und her schieben", so Hickel.

Zum Beispiel, um seinen Konzern zu retten: So soll Stolberg Schiffsbau-Kredite nicht, wie den Banken gemeldet, an chinesische Werften weitergeleitet, sondern über Auslandskonten in seine eigenen Unternehmen zurückgelenkt haben.

Lange hatte er die als gegen Auswirkungen der Wirtschaftskrise gefeit gesehen: "Wir haben von anderen gehört, dass der Markt die Effekte der Finanzkrise zu spüren bekommt", ließ Stolberg im Sommer 2008 ausrichten. In seinem Segment, der Schwergutverfrachtung könne es allenfalls "eine leichte Tendenz nach unten geben", ansonsten sei das aber "stabil und sehr fest."

Eine Selbsteinschätzung, an der noch im Sommer 2010 auch die Wirtschaftsprüfer von Pricewaterhouse Coopers nichts zu deuteln fanden: "Der Lagebericht steht in Einklang mit dem Jahresabschluss", heißt es in deren Bericht über Stolbergs Bilanzen. Er vermittele "ein zutreffendes Bild von der Lage der Gesellschaft" und stelle "Chancen und Risiken der zukünftigen Entwicklung zutreffend dar".

Auch Ernst & Young, die für OCM im Vorfeld der Beteiligung Beluga durchleuchtet hatten, fiel nichts auf von den "Unregelmäßigkeiten im Hinblick auf Umsatz und Liquidität" die jetzt laut Beluga-Sprecher Anlass für zwei Teil-Insolvenzen gegeben haben.

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