DIE KREATIVWIRTSCHAFT EXPERIMENTIERT IN DER ÜBERSEESTADT: Betreutes Arbeiten

Ein Modellprojekt bringt Existenzgründer mit ehrenamtlichen Mentoren zusammen und verzichtet dabei bewusst auf institutionelle Förderung.

So sieht sich die Kreativwirtschaft gerne selbst. Bild: Freihafen 3

Sie hatte es geschafft. Und sie war fest angestellt. Susanne Hinrichs leitete die Galerie im Fallturm und die Galerie im Park in Bremen, später die Künstlerhäuser Worpswede und das Syker Vorwerk, Zentrum für zeitgenössische Kunst. Eine kontinuierliche Karriere also. Trotzdem ist Hinrichs jetzt vor gut einem halben Jahr als freie Kuratorin in den "Freihafen 3" gezogen, ein Existenzgründungsprojekt für Kreative, das in der ehemaligen Stauerei in der Überseestadt angesiedelt ist. Dort hat sie, mit Blick auf die Hochschule für Künste, für 200 Euro im Monat einen Schreibtisch ohne festen Telefonanschluss in einem verwinkelten Großraumbüro. Auf der Fensterbank steht lose eine Reihe Bücher, die rosa Klebezettel an der Glaswand hinter ihr sind wohl sortiert. Vor ihr, einen Schreibtisch weiter, sitzt seit kurzem Ana Santos, eine Kommunikationsdesignerin, 1979 in Porto geboren. Sie will portugisisches Design vermarkten, als Mediatorin zwischen der kreativen Szene Portugals und der anderer europäischer Länder, insbesondere Deutschland.

Der "Freihafen 3" will dabei nicht einfach nur eine WG-mäßige Arbeitsatmosphäre mit W-Lan und Clubsesseln schaffen. Wer hier arbeitet, bekommt auch einen "Lotse" genannten Mentor zur Seite gestellt. Und hat dann zwei Jahre Zeit - und muss dann selbst am Markt bestehen können, jedenfalls aber ausziehen.

Sechs Leute arbeiten derzeit hier, neben Hinrichs und Santos ein Marketing- und Innovationsmanager, ein Mediengestalter und zwei Textil-Designerinnen. Später sollen hier 15 Menschen arbeiten, dann würde sich das Projekt auch für den Besitzer der Immobilie, die Firma von Ehrenbürger Klaus Hübotter, rechnen.

Das "Modellprojekt", wie es Hanke Homburg, Vorsitzender des Vereins "Freihafen 3" nennt, verzichte ganz bewusst auf institutionelle Förderung, der Verein zudem auf Gemeinnützigkeit. "Das ist ein freiwilliges Projekt", sagt Homburg, und alle Losten "ehrenamtlich" tätig. Unter ihnen sind neben dem Geschäftsführer der Dr. Hübotter Wohnungsbau GmbH auch der Schauspieler Peter Lüchinger von der Shakespeare Company, der bislang allerdings noch niemanden zu coachen hat.

"Niemand muss mir den Umgang mit Kunst erklären", sagt Hinrichs, die zuletzt von zu Hause aus gearbeitet hat und nun "eine richtige Firma gründen will". Wichtiger ist ihr der "Austausch untereinander", die "permanente Sichtbarkeit" am Arbeitsplatz, "die einen veranlasst, weiter zu machen" und eine Lotsin, die ihr hilft, "aus einem großen Konvolut an Ideen etwas Konkretes auf die Spur zu bringen".

Homburg findet, dass sich in der Bremer Kreativwirtschaft schon "viel mehr" entwickelt habe, als man sich das vor ein paar Jahren noch habe träumen lassen. Christoph Backes, Geschäftsführer der Ideenlotsen spricht von 600 Unternehmen in Bremen mit 8.000 Beschäftigten, andere Quellen nennen 1.700 Kreativ-Unternehmer mit etwa 10.000 Beschäftigten. Damit, so Backes, kann Bremen zwar nicht mit Hamburg, Köln und München, wohl aber mit Hannover, Nürnberg und Leipzig konkurrieren. "Bremen ist ein guter Standort für die Kreativwirtschaft", sagt Homburg. Backes spricht gar von Neid aus Berlin, ob der kurzen Wege.

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