Bürgermeister beim Verkehrsminister: Bloß kein Fehmarn 21

Bund und Bahn suchen auf Wunsch von Kanzlerin Merkel den Dialog mit Kritikern und Gegnern. Verkehrsminister Ramsauer spricht mit Bürgermeistern und will in den Norden kommen. Bahn lädt zu Forum.

Protest gegen die Querung im Sommer letzten Jahres: Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer soll nun ein "Fehmarn 21" verhindern. Bild: dpa

HAMBURG taz | Die Kanzlerin persönlich hat sich eingeschaltet. Angela Merkel habe Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) "dringend angeraten", so verlautet es aus Berliner Regierungskreisen, alles zu tun, um ein "Fehmarn 21" zu verhindern. Und deshalb haben der Bayer und Ostholsteins CDU-Bundestagsabgeordneter Ingo Gädechens am heutigen Mittwochvormittag etwa zwei Dutzend norddeutsche Bürgermeister und Landräte zum Gespräch gebeten. Einziges Thema der Runde im Verkehrsministerium ist der Widerstand gegen die Fehmarnbelt-Querung und deren Schienen- und Straßenanbindung durch den Südosten Schleswig-Holsteins bis nach Hamburg.

"Es geht um einen frühzeitigen Austausch und die Abstimmung der Interessen", sagt Ramsauers Sprecherin Vera Moosmayer. Dieses erste Treffen werde "sicher nicht das letzte sein", erklärt sie. "Der Minister wird auch zum Dialog in die Region kommen, vermutlich im Sommer", stellt Moosmayer in Aussicht. Gädechens freut das: "Man muss im Vorfeld einen intensiven Dialog mit den Menschen vor Ort führen, um sie bei Entscheidungen mitzunehmen."

"Wir wollen den zuständigen Minister sensibilisieren für die Interessen der Region", kündigt hingegen Fehmarns Bürgermeister Otto-Uwe Schmiedt an. Wichtigster Punkt sei "eine verträgliche Trassenführung" für die Tourismusorte an der Ostseeküste. Dort sorgen die bis zu 150 Güterzüge, die nach dem Tunnelbau im Fehmarnbelt jeden Tag zusätzlich durch die Ferienorte an der Ostsee rattern dürften, für Existenzängste. Der Lärm werde die Touristen vertreiben, ist die Befürchtung.

Die Fehmarnbelt-Querung soll die dänische Insel Lolland und die deutsche Insel Fehmarn durch einen Tunnel zwischen den jetzigen Fährhäfen Rødby und Puttgarden miteinander verbinden.

Kapazität: Der 18,2 Kilometer lange Tunnel bietet in drei Röhren Platz für eine vierspurige Autobahn und zwei Bahngleise.

Fahrzeiten: Die Durchfahrt mit dem Auto soll in etwa zehn Minuten möglich sein (Tempolimit: 110 km/h), mit dem Zug in sieben Minuten (Tempolimit: 200 km/h).

Bauweise: Der Absenktunnel besteht aus 89 Elementen aus wasserdichtem Beton. Die jeweils etwa 200 Meter langen Segmente sollen in Bauhäfen in der Nähe hergestellt werden, unter anderen bewirbt sich Lübeck als Standort. Der Tunnel wird mit einer 1,2 Meter dicken Gesteinsschicht vor Kollisionen mit Schiffen geschützt.

Kanzlerin Merkel selbst hatte Ende Oktober auf der CDU-Regionalkonferenz in Lübeck vor 1.500 norddeutschen ChristdemokratInnen zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Skepsis gegen das Projekt auch in ihrer eigenen Partei weit verbreitet ist. "Wir dürfen die Seebäder nicht schädigen", stellte der CDU-Kreispräsident von Ostholstein, Joachim Wegener, klar: "Sonst droht ein Aufstand der Menschen in Ostholstein." Und ein Parteimitglied von der Insel Fehmarn ergänzte: "Wir als CDU müssen die Menschen ermutigen, bei Planungen die Verwaltung zurückzudrängen." Merkel zeigte sich - auf dem Höhepunkt des Konflikts um "Stuttgart 21" - beeindruckt. Sie sagte zu, dass "jemand aus Berlin kommen und vor Ort mit Ihnen debattieren" werde. Prompt versicherte Ramsauer Anfang Januar, er wolle "Betroffene zu Beteiligten zu machen" - und lud in die Hauptstadt ein.

"Das Treffen ist eine Farce", findet der niedersächsische Bundestagsabgeordnete Herbert Behrens (Linke). Bei dem Gespräch im Verkehrsministerium handele es sich um "eine nachgelagerte Bürgerbeteiligung zur Legitimation eines unsinnigen Großprojektes", vermutet Behrens, der als Mitglied im Verkehrsausschusses des Bundestages seit langem mit dem Thema vertraut ist. Ob er mit dieser Vermutung Recht hat, dürfte sich am Mittag zeigen, wenn Ramsauer über eventuelle Ergebnisse des Treffens berichten will.

Auch dem dänischen Verkehrsminister Hans Christian Schmidt, vehementer Befürworter der Fehmarnbelt-Querung, gibt die Dimension des Widerstands in Norddeutschland inzwischen zu denken. Er wolle zu einer öffentlichen Diskussion über das Milliardenprojekt "wahrscheinlich im März" nach Ostholstein kommen, verkündete jetzt der schleswig-holsteinische SPD-Parteichef Ralf Stegner nach einem Besuch bei Schmidt in Kopenhagen.

Und auch die Deutsche Bahn startet eine Kommunikationsoffensive. Sie lädt erstmals am 9. März zu einem "Forum Schienenhinterlandanbindung" ein. Dort sollen Vertreter der betroffenen Städte und Gemeinden ebenso wie Naturschutz-, Bauern- und Tourismusverbände und auch die Allianz gegen die Fehmarnbelt-Querung fortlaufend "über den Sachstand informiert werden", so Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis. Zurzeit werden in einem Raumordnungsverfahren mehrere Trassenvarianten untersucht. Zur Debatte steht sowohl der Ausbau der eingleisigen Strecke durch die Ostseebäder nördlich von Lübeck wie auch eine neue Trasse einige Kilometer weiter im Binnenland. "Es gibt noch keine Festlegungen", sagt Meyer-Lovis. Auf "konstruktive Gespräche" hofft Peter Ninnemann von der Allianz: "Wenn das Forum ergebnisoffen ist, nehmen wir gerne teil."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.