Ägypten weiter in Aufruhr: Protestwelle ebbt nicht ab

Mit Tränengas und Knüppeln versucht die Polizei gegen die Demonstranten vorzugehen. Doch die wiedersetzen sich allen Verboten. Hunderte Menschen sind inzwischen verhaftet.

Brennende Reifen, fliegende Steine, beißendes Tränengas: Die Demos in Kairo ufern teilweise in Krawalle aus. Bild: dpa

KAIRO afp/rts | Ägyptens Präsident Husni Mubarak schlägt die größte Protestwelle seit seiner Machtübernahme vor drei Jahrzehnten entgegen. Ungeachtet eines Demonstrationsverbots versammelten sich am Mittwoch erneut zahlreiche Menschen zu Kundgebungen gegen die Regierung. Bei den Unruhen, die auf das erfolgreiche Aufbegehren der Tunesier gegen ihren Staatschef Zine el Abidine Ben Ali folgen, starben bislang mindestens sechs Menschen.

Im Zentrum Kairos kam es zu Ausschreitungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Die Polizei setzte Tränengas ein, einige Demonstranten warfen Steine. Auch vor dem Außenministerium kam es zu Zusammenstößen, die die Polizei mit Tränengas beendete. Nach Medizinerangaben wurden in Kairo ein Demonstrant und ein Polizist getötet. Zuvor waren bereits vier Menschen bei den Unruhen ums Leben gekommen.

Laut Augenzeugen gingen in der Hafenstadt Suez 2.000 Menschen auf die Straße. Dort sollen Demonstranten mit Molotowcocktails ein Gebäude der Stadtverwaltung teilweise in Brand gesetzt haben. Auch die dortige Parteizentrale von Mubaraks Partei sei mit Brandsätzen beworfen worden. Nach Angaben von Ärzten wurden bei den Protesten in Suez mindestens 70 Menschen verletzt. Landesweit wurden wegen des Demonstrationsverbots am Mittwoch mindestens 500 Menschen festgenommen.

Zu den erneuten Protesten hatte die pro-demokratische "Bewegung des 6. April" aufgerufen. Als Reaktion auf die Ausschreitungen vom Vortag hatte das Innenministerium am Mittwoch jedoch alle Kundgebungen verboten. Bereits in der Nacht hatte die Polizei Proteste in Kairo gewaltsam beendet.

Westliche Regierungen appellierten an Mubarak, sich Reformen zu öffnen und von einer gewaltsamen Niederschlagung der Proteste abzusehen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) zeigte sich "sehr besorgt" über die Entwicklung. Die US-Regierung forderte die Regierung in Kairo auf, die Bevölkerung ernst zu nehmen und das Demonstrationsverbot aufzuheben. Frankreichs Außenministerin Michèle Alliot-Marie bedauerte die Todesfälle.

Nach Ansicht der EU-Kommission zeigen die regierungskritischen Proteste den Wunsch der Bevölkerung nach einem "politischen Wandel". Israels Vize-Regierungschef Silvan Schalom erklärte, er hoffe, dass die Unruhen keine Auswirkungen auf die bilateralen Beziehungen hätten.

Das Auswärtige Amt empfahl Touristen in Ägypten dringend, "Menschenansammlungen und Demonstrationen weiträumig zu meiden". Deutsche Reiseveranstalter erhöhten ihre Sicherheitsvorkehrungen. Die Anbieter würden Ausflüge an Orte absagen, an denen Demonstrationen geplant seien, sagte eine Sprecherin des Deutschen Reiseverbands (DRV). Pläne für Rückhol-Aktionen von Urlaubern gebe es derzeit jedoch nicht.

Inzwischen hat der ägyptische Reformpolitiker und frühere Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Mohammed ElBaradei, erklärt, er wolle nach den Protesten in Kairo in sein Heimatland zurückkehren. ElBaradei werde am Donnerstag im Land erwartet, teilte sein Bruder Ali mit. Der Friedensnobelpreisträger gilt als möglicher Herausforderer von Staatschef Husni Mubarak bei der Präsidentenwahl Herbst dieses Jahres. Der international anerkannte Diplomat lebt derzeit in Wien. Er hat sich in der Vergangenheit für politische Reformen in Ägypten ausgesprochen.

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