DFB-Pokal am Mittwoch: Spektakel gegen die Ostalgie

Claus-Dieter Wollitz versucht den Zweitligisten Energie Cottbus rundzuerneuern. Ein Erfolg im DFB-Pokal-Viertelfinale gegen Hoffenheim käme da gelegen.

Gute Kleidung ist nicht alles: Claus-Dieter Wollitz. : dpa

Anfang des Jahres hat Claus-Dieter Wollitz einen langen Brief von einem Fan erhalten. Darin wurde dem Cottbusser Trainer vorgeworfen, er sei der am schlechtesten angezogene Coach im deutschen Profifußball. Wollitz hat dieser Einschätzung bis heute nicht widersprochen.

Mit den alten Turnschuhen, der ausgewaschenen Jeans und dem Dreitagebart wirkt er verglichen mit Kollegen tatsächlich fast wie aus der Zeit gefallen. "Wenn ich einen Anzug tragen würde und wir drei Tabellenplätze schlechter stehen würden, wäre ich für viele trotzdem der bessere Trainer", sagt Wollitz und ergänzt, auch hier ein wenig altmodisch klingend, "dass sowieso zu viel Wert auf Äußerlichkeiten gelegt wird".

Mit Wollitz spielt Energie Cottbus so erfolgreich wie lange nicht mehr. In der Zweiten Bundesliga rangiert der Klub aus der Lausitz aktuell auf Rang fünf und kämpft am Mittwochabend gegen die TSG 1899 Hoffenheim um den Einzug in das Halbfinale des DFB-Pokals. Cottbus ist unter Wollitz zu einem Synonym für offensiven und erfolgreichen Fußball geworden. Manche sagen sogar Spektakel dazu. Energie hat die beste Offensive der Liga (38 Tore) und mit Nils Petersen den Top-Torjäger in ihren Reihen (13 Tore). Jeder im Verein weiß, dass diese Erfolgsbilanz in der Hauptsache das Verdienst von Wollitz ist.

Vor anderthalb Jahren wechselte der 45-jährige Trainer vom VfL Osnabrück nach Cottbus. "Traumatisiert durch den Abstieg mit Osnabrück, den ich nicht verstehen konnte und wollte", so Wollitz. Wie jetzt herausgekommen ist, haben mindestens zwei VfL-Kicker Geld von der Wettmafia angenommen und gegen ihren eigenen Verein gespielt. "Wer an den Abstieg von Osnabrück denkt, der verbindet doch auf ewig den Namen Wollitz damit", schimpft der Coach.

Wollitz hat als Trainer noch nicht die Gelassenheit und Lässigkeit gefunden, die ihm einstmals als Spieler den Spitznamen Pele einbrachte. Die Hinrunde dieser Saison war äußerst turbulent. Im Spätherbst hatte der Trainer offensiv für die Vermarktung des Stadionnamens "Stadion der Freundschaft" geworben. Wollitz sieht das "als einen Teil der Professionalisierung und des Umbruchs, den ich hier langfristig anstrebe". Die Fans in Cottbus sehen das ganz anders. Für sie steht der Stadionname unter einer Art DDR-Nostalgie-Denkmalschutz. Wollitz war plötzlich das "Wessischwein".

Beim DFB-Pokal-Achtelfinalerfolg in Wolfsburg im Dezember hatte sich Wollitz dann auf ein Neues mit den Energie-Fans angelegt. Die provozierten durch den massiven Einsatz von Pyrotechnik beinahe einen Spielabbruch. Wollitz ließe seinem Ärger über die Knallerei freien Lauf. Die Fans antworteten mit einem "Stadion der Freundschaft"-Gebrüll in Richtung Trainer. Anschließend hat sich Wollitz für die Fans öffentlich geschämt, aber vor drei Wochen dann, nach einigem Zögern, doch seinen Vertrag mit Energie bis zum Jahr 2013 verlängert.

Wollitz möchte Energie sein Modernisierungskonzept verpassen. Cottbus galt im deutschen Fußball ein Jahrzehnt lang nicht mehr als eine billig zusammengekaufte Legionärstruppe von Spielern aus Südosteuropa. "Wenn in einer Bundesligamannschaft nur zwei Spieler ein Interview in verständlichem Deutsch führen können, dann stimmt etwas nicht", erklärte Wollitz dem damaligen Cottbus Manager Steffen Heidrich. Wollitz plädierte für einen gründlichen Umbau des Teams. Heidrich setzte weiter auf Kicker aus Bulgarien, Rumänien und Albanien - und musste schließlich gehen. Wollitz ist es in der Folge gelungen, junge, deutsche Spieler in die Lausitz zu locken.

"Cottbus ist nicht gerade der Ort, der zieht", hatte Wollitz schnell erkannt. Dennoch gelang es ihm, Spieler wie Daniel Adlung vom VfL Wolfsburg, Andre Kruska und Markus Brzenska von Borussia Dortmund von einem Wechsel zu Energie zu überzeugen. Mit einer jungen Mannschaft und einem Etat von nicht mehr als elf Millionen Euro peilt Wollitz jetzt den Aufstieg in die Erste Bundesliga an. "Für uns spricht nur die Außenseiterposition", erklärt der Trainer, der selber ein Außenseiter ist.

Wollitz zieht in diesen Tagen mit seiner Familie nach Berlin. Eine seiner drei Töchter ist schwerstbehindert. In der Hauptstadt gibt es gute Heimplätze. Bisher lebte Claus-Dieter Wollitz allein in Cottbus, seine Familie in Osnabrück. Er pendelte zwischen Ost und West. So etwas geht nicht lange gut. "Lieber neue Freunde suchen als einen neuen Mann", so kommentierte Wollitz' Frau zufrieden den anstehenden Ortswechsel in Richtung Berlin. Ein Umzug der Familie nach Cottbus stand für den Trainer nie ernsthaft zur Diskussion. "Mein Kind soll am Montag gerne in die Schule gehen und nicht als Versager beschimpft werden, nur weil der Vater verloren hat", meint Wollitz. Das hat er auch schon erlebt.

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