Preis der Arbeit

Der Ball ist rund, und Umweltschutz bleibt Umweltschutz, so viel ist sicher. Ex-und-hopp-Verpackungen bleiben während der Fußball-WM im kommenden Jahr aus dem Spiel, Müllhalden in Stadien und bei Übertragungen auf Großleinwänden in deutschen Innenstädten sollen vermieden werden. Das Organisationskomitee der Fußball-Weltmeisterschaft und der Vertragspartner Coca-Cola seien sich über den Einsatz von Mehrweggefäßen einig, meldet dpa zu Wochenanfang. Im Hintergrund hatte der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) seine wohl letzte – aber nachhaltige – Übung in einer Herzensangelegenheit vorgelegt: In einem Schreiben an das Organisationskomitee hatte Mr. Dosenpfand damit gedroht, sich von der WM-Umweltkampagne „Green Goal“ zu distanzieren, solle der WM-Sponsor Coca-Cola die Verwendung von Einwegflaschen während der WM durchsetzen. Auch Klaus Töpfer (CDU), Direktor des UN-Umweltprogramms und einer der prominenten Mentoren von „Green Goal“, soll gewunken haben, seine Unterstützung in diesem Fall zu streichen. Elfmeter für den Umweltschutz!

Ohne Umweltschutz geht offensichtlich gar nichts mehr: nicht in Deutschland und nicht in Europa. Nicht bei einer internationalen Sportveranstaltung – nicht mal in der klein- und mittelständischen Wirtschaft. In einer breit angelegten Kampagne hat die EU-Kommission das Jahr 2005 zum Jahr von CSR (Corporate Social Responsibility – gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen) erklärt. Ein Konzept, das Unternehmen als Grundlage dient, „auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Beziehungen zu ihren Partnern zu integrieren.“

Kritische Verbraucherinnen ziehen mit

Ein Konzept, das in den USA erfunden wurde und zunehmend öffentliche Verantwortung durch (privat-)unternehmerische ersetzen soll. Dort verpflichten sich Unternehmen freiwillig zu ressourcenschützendem Umgang mit Produkten und Dienstleistungen. Sie bekennen, Menschenrechte und umweltschonende Kriterien im Betrieb und in der Zuliefererkette (bis in die Dritte Welt) zu achten. Sie engagieren sich in Kommunen, in denen sie angesiedelt sind, stiften Krankenhäuser, Schulen oder Theater, pflanzen Bäume oder finanzieren Projekte im globalen Umweltschutz. Kurz: Firmen tun Gutes und reden darüber. So polieren sie ihr Image auf und machen noch mehr Profit. Und sie haben die Erfahrung gemacht, dass kritische VerbraucherInnen ihre Produkte bevorzugen.

Ein gutes Beispielmacht Schule

Auch in Deutschland ist das Konzept „CSR“ längst angekommen. Etwa beim Einzelhandelsriesen Karstadt, der ein umfangreiches Umweltprogramm zur Firmenphilosophie erklärt hat. Beim Reisekonzern TUI, der sich nicht nur gegen weltweite Kinderarbeit engagiert, sondern auch am Sitz der Unternehmenszentrale, in Hannover, mit mehreren kulturellen und sportlichen Projekten profiliert. Oder beim Berliner Büro- und Schulmaterial-Hersteller Herlitz: Der initiierte 2003 den gemeinnützigen Verein BildungsCent, dem sich mittlerweile zahlreiche weitere Partner angeschlossen haben. Der Verein schickt Experten an Berliner und Brandenburger Schulen, die die Schulleitungen beim Management beraten. Und der Verein finanziert so genannte Coaches, die Schülerinnen und Schülern frühzeitig „berufsrelevante Fähigkeiten“ vermitteln sollen. Die Nachfrage aus chronisch unterfinanzierten Schulen ist riesig; inzwischen werden die Unterstützungsmaßnahmen im Losverfahren vergeben. Und die gute Nachricht versendet sich quasi wie von selbst: In allein 35 Millionen jährlich produzierten Schulheften informiert Herlitz über die Aktivitäten der Initiative. Ob das Unternehmen auch nach der kürzlichen Übernahme durch einen US-Equity-Fund den Kurs hält, bleibt abzuwarten.

Zwei Schritte vor,einer zurück

Eine gewisse Skepsis angesichts all der positiven Nachrichten hat dennoch ihre Berechtigung. Schließlich rühmt sich auch die Deutsche Bank ihrer hervorragenden Aktivitäten im kulturellen Bereich, kündigt aber trotz Rekordgewinnen die Entlastung von weltweit 6.000 Mitarbeitern an, um weiter an der Gewinnschraube zu drehen. Und als die unabhängige Stiftung Warentest neben den üblichen Produktbewertungen einen Blick auf die ökologischen und sozialen Produktionsbedingungen werfen wollte, hagelte es harsche Kritik seitens der Unternehmerverbände. Die bestehen auf absoluter Freiwilligkeit in Sachen gesamtgesellschaftlicher Unternehmensverantwortung. Von international verbindlichen Regeln, wie sie jüngst auch der SPD-Politiker Ernst Ulrich von Weizsäcker in der taz forderte, sind wir – auch mit dem schönsten CSR-Konzept – meilenweit entfernt.

KONNY GELLENBECK

konny@taz.de