Sudanesen in Berlin: "Wir sind sehr euphorisch"

Die Sudanesen in Berlin haben derzeit nur ein Thema: das Referendum über die Unabhängigkeit des Südens, sagt Arkangelo Modesto. Es werde leidenschaftlich diskutiert.

Eine Frau bei der Abstimmung im Sudan. Bild: dapd

taz: Herr Modesto, Sie sind Vorsitzender des SudanClubs in Berlin. Hier treffen sich Süd- und Nordsudanesen. Sicherlich ist das Referendum über die Unabhängigkeit des Südens derzeit das bestimmende Thema?

Arkangelo Modesto: Natürlich, wir diskutieren leidenschaftlich miteinander. Sie können sich vorstellen, dass wir Südsudanesen zurzeit sehr euphorisch sind, während die Nordsudanesen den Abspaltungsprozess mit gemischten Gefühlen sehen. Aber bei uns im Verein darf jeder frei sagen, was er denkt.

Wie viele Südsudanesen leben in Berlin?

57, ist einer von schätzungsweise nur 30 Südsudanesen in Deutschland. Im Februar 1989 kam er im Rahmen eines Abkommens der DDR mit dem Sudan zur Ausbildung sudanesischer Ärzte nach Berlin. Aufgrund eines Militärputsches in seinem Heimatland vier Monate später kehrte der politisch engagierte Mediziner nicht zurück. Er beantragte Asyl, das er 1994 erhielt. Heute arbeitet Arkangelo Modesto als Arzt in Kreuzberg. Er ist ehrenamtlicher Vorsitzender des SudanClubs, einer Begegnungsstätte für Nord- und Südsudanesen aus Berlin und Brandenburg.

Wir sind hier nur eine Handvoll. Viele sind in den letzten Jahren in den Sudan zurückgekehrt, um beim Aufbau des Südens zu helfen.

Könnten Sie sich selbst auch eine Rückkehr vorstellen?

Pläne für eine Rückkehr habe ich tatsächlich. Gerne würde ich das Krankenhaus wieder aufbauen, in dem ich früher gearbeitet habe.

In den letzten Monaten kam es zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen südsudanesischen Volksgruppen. Und auch während des Referendums forderten Auseinandersetzungen Tote, diesmal in einer Grenzregion zum Norden. Wie stabil ist die Lage?

Zu den Kämpfen, auch zu den aktuellen Auseinandersetzungen, möchte ich nur so viel sagen: Sie werden von Gruppen aus dem Norden geschürt, die gegen die Unabhängigkeit des Südens sind. Das Land sollte im Chaos versinken und der Welt gezeigt werden, schaut her, der Süden ist noch nicht reif für die Selbstständigkeit. Für einen stabilen Staat benötigen wir wiederum dringend die Hilfe Europas und der USA. Wir beginnen zwar nicht bei null, aber die Infrastruktur ist katastrophal, die Versorgungslage schlecht und das Gesundheitssystem in seinen Anfängen. Auf der politischen Ebene muss zudem ein demokratisches System etabliert werden. Doch wir haben qualifizierte Frauen und Männer in unseren Reihen, denen ich zutraue, einen stabilen Staat aufzubauen. Der Süden hatte von 1973 bis 1985 einen Autonomiestatus innerhalb des Sudans. Das zeigt, dass wir uns sehr wohl selbst verwalten können.

Ökonomisch helfen könnte einem unabhängigen Südsudan sicherlich das Erdöl. Sind die großen Ölvorkommen Segen oder auch Fluch?

Ich gebe Ihnen recht: Wir sollten uns nicht ausschließlich auf das Erdöl konzentrieren. Es kann aber auch der Motor sein, um andere Ressourcen freizusetzen, wie zum Beispiel in der Landwirtschaft. Ferner hat das Öl einen ganz großen Vorteil. Wir besitzen 80 Prozent des sudanesischen Öls. Es muss allerdings für den Export über nordsudanesische Pipelines zum nordsudanesischen Hafen gepumpt werden. Beide Parteien, Nord- wie Südsudan, profitieren also von dem Öl. Eine friedliche Koexistenz ist somit im beiderseitigen Interesse. Sie muss aber auch an anderer Stelle gepflegt werden. So leben im Sudan Nomaden, die von alters her vom Norden in den Süden ziehen. Ihnen darf die Grenze kein Hindernis sein.

Sie sind sehr engagiert. Welche Möglichkeit hatten Sie, sich für das Referendum registrieren zu lassen?

In Deutschland leider keine. In Europa konnte man sich lediglich in London für das Referendum registrieren lassen. Dorthin kommt man ohne Visum aber leider nicht so einfach. Allerdings habe ich ein sogenanntes Mock Voting mit Südsudanesen weltweit via E-Mail organisiert. Es sollte herausfinden, wie die Stimmung der Südsudanesen bezüglich der Unabhängigkeit ist.

Und wie war das Ergebnis?

Es haben 100 Prozent für die Unabhängigkeit gestimmt.

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