Vereinfachung des Steuersystems: Der Vier-Milliarden-Zauber

Allein durch "Bürokratieabbau" will die Bundesregierung vier Milliarden Euro einsparen. Für die Opposition ist das nicht mehr als eine "Mondzahl".

Weniger Steuerbelege - weniger Kosten. So einfach kann sparen sein, glaubt die Bundesregierung. Bild: photocase/kallejipp

Berlin taz | Vielleicht lag es am Wetter, dass der letzte schwarz-gelbe Koalitionsausschuss des Jahres so gemütlich verlief. CSU-Chef Horst Seehofer war am Donnerstag wegen des Schnees nicht aus München angereist, der übliche Zwist zwischen FDP und CSU fiel aus. Ein CDU-Mann bemerkte süffisant, die allein von Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich vertretene CSU habe diesmal mit einer Stimme gesprochen.

Die Koalitionsrunde beschloss, was zwischen den drei Parteien unstrittig ist: die Aussetzung der Wehrpflicht und Vereinfachungen im Steuersystem. Die strittigen Themen, die Vorratsdatenspeicherung und der Fachkräftezuzug, wurden vertagt. Ob Nicht-EU-Bürger einfacher an eine Arbeitserlaubnis kommen, soll frühestens im Mai entschieden werden.

Bereits ab 2011 hingegen sollen, wie Finanzminister Wolfgang Schäuble bekannt gab, Unternehmen durch Bürokratieabbau bei Steuererklärungen bis zu vier Milliarden Euro sparen - ohne dass dies den Staat einen einzigen Cent kostet. Zustande bringen will man diesen Betrag nur durch lockerere Steuervorschriften. Betriebe sollen weniger Belege einreichen und mehr elektronische Überweisungen an die Finanzämter schicken.

Eine "Mondzahl" nennt dies SPD-Steuerexperte Carsten Schneider. Offenbar glaube die Koalition an "die Magie der großen Zahl", sagte er taz. Auch die große Koalition hatte 2007 Bürokratiekosten in Milliardenhöhe abgebaut. Allerdings fehlten, so Schneider, bis heute belastbare Zahlen über den Effekt. Selbst die Koalition selbst ist unsicher, ob die Zahl von 4 Milliarden nicht zu hoch gegriffen ist. So räumte der CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich ein, dass sich die wirkliche Entlastungswirkung für die Betriebe "schwer beziffern" lasse. Auch Schäubles Sprecher wollte den Betrag am Freitag lieber "nicht konkret bestätigen".

Für den durchschnittlichen Steuerzahler soll es, so das Versprechen der Regierung, einfacher und billiger werden. Das wird den Staat 590 Millionen Euro kosten. Die wichtigsten Änderungen sind: Der "Arbeitnehmer-Pauschbetrag" steigt von 920 auf 1.000 Euro. Und ab 2012 kann, wer will, alle zwei Jahre zwei Steuererklärungen abgeben anstatt wie bisher jedes Jahr. Eine echte "Verbesserung der Lebensqualität" sei dies, verkündete der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion Peter Altmaier (CDU).

Der Vorsitzende der Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, kritisierte, dass die Zwei-Jahres-Regel nur gut klinge. Das Gros der Arbeitnehmer bekomme Geld vom Finanzamt zurück und werde daher kaum von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Auch die Erhöhung des "Pauschbetrags" für Werbungskosten nutze nur einer verschwindend geringen Gruppe von Steuerzahlern.

Außerdem will Schwarz-Gelb es erleichtern, Kinderbetreuungskosten von der Steuer abzusetzen. Und bei volljährigen Kindern in der Ausbildung werden künftig generell Kinderfreiträge gewährt - egal, wie viel sie selbst verdienen.

Die Opposition hält die Entlastung von knapp 600 Millionen Euro für zu gering. SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel und Grüne-Fraktionschef Jürgen Trittin kritisierten, dass Schwarz-Gelb die Durchschnittsverdiener 2010 durch höhere Gesundheitskosten von etwa 3 Milliarden Euro stark belastet habe. Die Erhöhung der Werbungskostenpauschale, so Trittin, bringe dem Bürger im Jahr nur 25 Euro: "Das entspricht einer Tasse Kaffee im Monat."

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