Kommentar Ungarn: Alu um jeden Preis

Es bedurfte der Katastrophe in Kolontár, dass man sich fragt, wie Aluminium in Ungarn hergestellt wird.

Als Islands Pop-Ikone Björk vor zwei Jahren den Protest gegen das Kárahnjúkar-Staudammprojekt nahe Reykjavík anführte, wurde sie als Gutmensch belächelt. Das für Aluminiumschmelze vorgesehene Kraftwerk galt als extrem umweltbelastend. In Ungarn haben Umweltschützer seit Jahren gewarnt, welche Gefahr in den schlecht gesicherten Staubecken der Aluminiumhütten lauert. Es bedurfte der Katastrophe in Kolontár, dass man sich fragt, wie Aluminium in Ungarn hergestellt wird.

Ungarn zählt zu den größten Aluminiumproduzenten in Europa. Während in anderen Ländern die Erzeugung eher zurückgefahren oder ganz eingestellt wird, wurde sie in Ungarn nach der Wende erst richtig aufgebaut. Hohe Personalkosten, extremer Energieaufwand und anspruchsvolle Umweltauflagen machen die Bauxitverarbeitung zunehmend unrentabel. Brasilien, Australien und Russland, die größten Aluminiumproduzenten, haben da günstigere Voraussetzungen. Die Vertreibung von Aborigines aus ihren Stammesgebieten erregt kaum Aufsehen. Die Abholzung des Regenwaldes, wo das Bauxit im Tagebau gewonnen wird, ist ein Kollateralschaden, den die boomende brasilianische Wirtschaft in Kauf nimmt.

Um mithalten zu können, mussten die Ungarn handfeste Anreize bieten: Strom praktisch zum Nulltarif und Umweltauflagen, die anderswo Standard sind, weglassen. Die letzten Messungen liegen 32 Jahre zurück. Da war das Werk noch ein Staatsbetrieb und erzeugte nur Aluminiumoxid. Inzwischen wurde auf volle Aluminiumproduktion erweitert und privatisiert. Dass die Politik ihre Aufsichtspflicht sträflich vernachlässigt hat, mag daran liegen, dass bei der Privatisierung einige Funktionäre mitverdient haben. Ob man jetzt dazugelernt hat?

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*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.

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