Handball Champions League: Das Monster Monokultur

Die mageren Jahre scheinen vorbei zu sein: Zum Start der Champions League gibt es mehr Sponsoring für Handballclubs. Doch der Geldsegen könnte bald wieder zu Ende sein.

Wird seinem Verein der Erfolg zum Verhängnis? Filip Jicha vom THW Kiel (hinten) gilt als momentan bester Handballer der Welt. Bild: dpa

KIEL taz | Eine Pflichtaufgabe, mehr war es nicht. "Ich bin recht zufrieden", brummte Alfred Gislason, der Trainer des THW Kiel, nach dem 35:23-Heimsieg am Samstag gegen den französischen Vizemeister Chambery Savoie. Konnte er auch sein, denn nach der überraschenden 23:26-Pleite, die der THW nur eine Woche zuvor in der Bundesliga bei den Berliner Füchsen erlitten hatte, strahlte der Titelverteidiger in der Champions League wieder jenes unerschütterliche Selbstbewusstsein aus, das sich aus den Erfolgen der Vorjahre speist: Viermal in Folge stand der deutsche Handball-Rekordmeister im CL-Endspiel.

Im Mai gelang der große Coup beim Final-Four-Turnier in Köln, als der THW über die spanischen Spitzenklubs BM Ciudad Real und den FC Barcelona triumphierte. "Diese Fakten sprechen für uns", sagt THW-Rückraumstar Filip Jicha, der am Samstag mit sieben Toren seinen Ruf als aktuell bester Handballer der Welt untermauerte.

An der Hierarchie des europäischen Handballs dürfte sich wenig ändern bis zum Final Four im Mai 2011, das wieder in Köln stattfinden wird. Das Establishment bilden die vier deutschen Vertreter Kiel, Flensburg-Handewitt, HSV Hamburg und die Rhein-Neckar-Löwen, ergänzt durch die Spanier aus Barcelona und von BM Ciudad Real, das unter der Woche die Saison mit einem 27:19-Sieg gegen Flensburg eröffnete. Zwischen diesen sechs ist allerhand möglich, auch ein 31:30-Auswärtssieg der Löwen in Barcelona wie am Samstag.

Die mit Barcelona, Kiel, den Löwen und Chambery "stärkste Gruppe aller Zeiten" (Gislason) ergänzen der ambitionierte polnische Meister Kielce sowie der slowenische Champion Celje. Pikant: Mit Celje kehrt Kiels Extrainer Noka Serdarusic, den die immer noch ungeklärte Manipulationsaffäre in Kiel den Job kostete, erstmals wieder auf das Parkett der Ostseehalle zurück.

Verändert hat sich aber die wirtschaftliche Lage im europäischen Handball. Vorbei scheinen die mageren Jahre, die teils hausgemacht (mangelnder Aufklärungswille bei Schiedsrichterskandalen), aber auch der allgemeinen ökonomischen Krise geschuldet waren. Die Marketingtochter der Europäischen Handball-Föderation (EHF), die den Wettbewerb in Eigenregie vermarktet, kann mit Velux erstmals einen potenten Titelsponsor präsentieren. Mehr als 1 Million Euro zahlt der dänische Fensterhersteller bis 2013 jährlich. Auch das dänische Modelabel Jack & Jones hat den Vertrag verlängert. Hinzu kommt mit Sharp ein weiterer großer Konzern. Und auch den Wettanbieter Bet-at-home präsentiert die EHF wieder auf ihrer Internetseite, seit der Europäische Gerichtshof den deutschen Glücksspielstaatsvertrag gekippt hat.

Jedenfalls wird Peter Vargo, dem Direktor der EHF-Marketingtochter, allenthalben Lob gezollt. "Die Entwicklung ist aus meiner Sicht sehr positiv", sagt THW-Geschäftsführer Uli Derad. Vargo habe einiges geleistet, meint auch Flensburgs Geschäftsführer Holger Kaiser, der in den neuen Verträgen sogar eine "große Chance für die Sportart Handball" sieht. Das Lob fällt auch deshalb so überschwänglich aus, weil zuvor geschäftliche Partnerschaften mit Vermarktern wie Sportfive sehr dünn ausgefallen waren.

Noch offen ist die Frage, ob das derzeitige Preisgeld (3 Millionen Euro) noch aufgestockt wird. EHFM-Chef Vargo hält sich noch bedeckt. "Wir können erst am Jahresende sagen, wie viel Geld tatsächlich zur Verfügung steht", sagt der Österreicher.

Klar sei freilich, dass die Klubs mit höheren Prämien als in den Vorjahren rechnen dürften, so Vargo. Im Vorjahr kassierte der THW Kiel als Champions-League-Sieger rund 500.000 Euro, der Finalist Barcelona 350.000. Doch Vargo mahnt die Klubs, nicht alle Erlöse nur für sich zu reklamieren, sondern lieber nachhaltig in den Wettbewerb zu investieren.

Das kann schwierig werden. Der langjährige Branchenprimus Ciudad Real, dreimaliger Sieger seit 2006, kämpft derzeit gegen Gerüchte. Danach soll der spanische Meister einigen Spielern das Gehalt nicht pünktlich gezahlt haben. Zuletzt befeuerte der Wechsel des französischen Rückraumstars Jerome Fernandez zum THW Kiel das Geraune, denn Fernandez behauptete in einem Interview, Ciudad Real konnte ihn nicht mehr bezahlen.

Kenner bezweifeln das allerdings. Zwar kämpft Milliardär Domingo Diaz de Mera, der Ciudad Real großzügig unterstützt, mit der desolaten wirtschaftlichen Lage in Spanien. So musste etwa der Flughafen Ciudad Real, in den auch Domingo erheblich investierte, kürzlich geschlossen werden. Domingo wolle sparen und künftig keinen 15-Millionen-Etat mehr finanzieren, meinen Brancheninsider, aber mit seinem Geld garantiere er weiterhin internationale Klasse.

Das ist auch im Sinne der Handball-Bundesliga. Die muss froh sein, wenn wenigstens die spanische Liga mit Ciudad Real und dem FC Barcelona zwei ebenbürtige Gegner stellt. Ansonsten droht eine deutsche Monokultur in Europa, die auf Sicht den gesamten Klubhandball gefährden würde: Sollten die deutschen Klubs stets alle Europapokalwettbewerbe gewinnen, so wie in den Jahren 2007 und 2010, dann dürften sich irgendwann die Zuschauer und Sponsoren wieder abwenden.

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