Separatistische Proteste eskalieren: Schwere Ausschreitungen in Kaschmir

Bei Protesten gegen die indische Regierung und angebliche Koranverbrennung sind in Kaschmir 19 Menschen ums Leben gekommen.

Seit Juni kommt es in Kaschmir immer wieder zu heftigen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten. Bild: dpa

DEHLI taz | Zwar gilt eine Ausgangssperre, doch die Demonstranten im indischen Kaschmir lassen sich nicht abschrecken: Auch am Dienstag werfen sie Steine auf die Sicherheitskräfte, die den Protest mit Tränengas aufzulösen versuchen. Wieder werden etliche Menschen verletzt. Am Montag wurden mindestens 19 Menschen im idyllischen Himalaja-Tal bei Kundgebungen getötet - die meisten durch Schüsse von Polizei und Paramilitärs.

Die Demonstranten, die für ein unabhängiges Kaschmir auf die Straße gehen, waren aufgebracht über Berichte des iranischen Fernsehsenders Press TV, wonach in den USA der Koran, das heilige Buch des Islam, verbrannt werde. Kaschmirs Bevölkerung ist überwiegend muslimisch. Zwar hatte der evangelikale Hassprediger Terry Jones im amerikanischen Florida seine umstrittene Koranverbrennungsaktion zum Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September abgesagt. Dennoch kam es in Pakistan, Indien und Afghanistan tagelang zu teils schweren Protesten.

Am Montag goss Irans Staatsfernsehen noch Öl ins Feuer, als es berichtete, in den USA sei trotz Jones Absage an verschiedenen Orten der Koran angezündet worden, worüber sich die westlichen Medien ausschweigen würden. Press TV, eine etwa steife, aber recht professionelle Kopie des US-Nachrichtensenders CNN, sendet seit 2007 in englischer Sprache aus Teheran in die asiatisch-arabische Region.

Kaschmir durchlebt im Moment eine der schwersten Wellen der Gewalt, seit dort vor gut 20 Jahren der Aufstand gegen Indien begann. Die jüngsten Proteste begannen im Juni, nachdem ein siebzehnjährigen Student bei einer Kundgebung getötet worden war. Der junge Mann war auf dem Nachhauseweg von der Uni, als ihn ein aus nächster Nähe abgefeuertes Tränengas-Geschoss am Kopf traf. Seitdem wurden mehr als 80 Menschen von den Sicherheitskräften getötet.

Wochenlang ignorierte die Regierung in Delhi die antiindischen Proteste in Kaschmir, die sich vor allem gegen das Vorgehen des indischen Militärs richten. Das tritt als Besatzungsmacht auf. Die Regierung ist ratlos, und ein Ende des Aufstandes ist nicht in Sicht. Die Stimmung ist so explosiv, dass liberale Kommentatoren bereits fragen, ob Indien sich nicht besser von Kaschmir trennen soll. Laut Umfrage einer indischen Zeitung will ein Großteil der Kaschmirer weder zu Indien noch zu Pakistan gehören, sondern einen unabhängigen Staat bilden.

Kaschmir ist seit sechs Jahrzehnten ein Zankapfel zwischen Indien und Pakistan. Bereits zwei Kriege haben die beiden Atommächte um das Gebiet geführt. Seit einigen Jahren gibt es Versuche, den Konflikt zu entschärfen, doch zuletzt wurden die Töne zwischen Islamabad und Delhi wieder schärfer. Pakistan kontrolliert den nordöstlichen Teil Kaschmirs, Indien den mittleren und südlichen. Als Grenze dient immer noch die Waffenstillstandslinie aus dem Krieg von 1947. Weder Indien noch Pakistan stimmten der Aufteilung zu.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.