Tag des offenen Denkmals: Der Turm der tropfenden Kugeln

Der Lichtenberger Schrotkugelturm ist der Einzige seiner Art in Berlin. Am Wochenende ist er für Besucher geöffnet. Turmführer Michael Voigtländer erklärt das Bauwerk.

taz: Herr Voigtländer, der Schrotkugelturm ist nur eins von rund 350 Gebäuden, die man am Tag des offenen Denkmals besichtigen kann. Warum sollten Besucher gerade zu Ihnen kommen?

Michael Voigtländer: Weil der Turm ein sehr interessantes und außergewöhnliches Industriedenkmal ist. Außerdem ist er nicht oft für Besucher geöffnet.

Was macht ihn so besonders?

Erst einmal das Konzept an sich: Schrotkugeltürme dienten früher - wie der Name sagt - zur Herstellung von Schrotkugeln für die Jagd, die mit einem vor 200 Jahren von den Engländern erfundenen "Turmgießverfahren" gewonnen wurden. In einer Höhe von 40 Metern stand ein Ofen, in dem Blei geschmolzen und durch ein Sieb in die sogenannte Fallröhre geschüttet wurde. Im Fall formten sich dann kleine Kugeln, die im Keller in einem Wasserbecken aufgefangen wurden. Weltweit gibt es nicht mehr viele solcher Türme. In Deutschland nur noch fünf, in Berlin nur diesen einzigen.

Und wem haben wir diesen Turm zu verdanken?

Der Firma Juhl & Söhne. Die kamen aus Nürnberg, einem Zentrum der Metallverarbeitung, 1908 in die Reichshauptstadt, kauften dieses Doppelgrundstück und errichteten an der Straßenfront ein großes Wohnhaus. Auf dem Hof bauten sie die Fabrik an. Die Firma hat nicht nur Schrot hergestellt, sondern alles rund um die Bleiverarbeitung, auch Maschinen und Ausrüstungen für den Export.

1939 wurde die Schrotkugelproduktion eingestellt. Hatte das mit dem Krieg zu tun?

Nein, das ist wohl unabhängig davon. Dieses Verfahren war irgendwann einfach überholt und wurde durch moderne Methoden wie Strangpressen abgelöst.

Was passierte mit der Firma?

Der kleine Maschinenbaubetrieb bestand nach dem Krieg weiter. Aber mit Schrotkugeln hatte das Ganze dann nichts mehr zu tun. Zum Ende der DDR war hier die Lehrlingsausbildung eines Druckgussbetriebs untergebracht. Der stellte Teile her, die auf Gießmaschinen unter einem besonders hohen Druck hergestellt werden.

Was befindet sich heute auf dem Fabrikgelände?

Das vordere Gebäude ist nach wie vor ein Wohnhaus. Auch im Fabrikgebäude hat man begonnen, Wohnungen einzurichten. Inzwischen wohnen dort auch schon einige Leute, allerdings noch nicht auf allen Etagen. Es ist sicher auch nicht jedermanns Sache, da die S-Bahn direkt am Fenster langfährt und die Fahrgäste direkt ins Wohnzimmer schauen können.

Zum Tag des offenen Denkmals bieten Sie Führungen inklusive Turmbesteigung an. Eine einmalige Gelegenheit, oder gibt es auch an anderen Tagen die Möglichkeit, den Turm zu besichtigen?

Der Turm ist nicht ständig geöffnet. Immerhin ist er zu einem großen Teil ein Wohnhaus, und die Anwohner würden sich in ihrer Privatsphäre gestört fühlen, wenn ständig Gruppen ein und aus gingen. Aber das Büro für Industriekultur Berlin bietet über das Jahr verteilt immer mal wieder Führungen an.

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