Ostseebad ignoriert Asbestgefahr: Verseuchte Wanderwege

Im Ostseebad Wustrow sind Wanderwege mit asbesthaltigem Bauschutt befestigt. Die Behörden reagieren nur halbherzig – obwohl die Fasern Krebs erregen.

Wer denkt auf solch schönen Wegen schon an Asbest? Ostseebad Wustrow. Bild: imago

WUSTROW taz | Ein "großzügiges und vielfältiges Rad- und Wanderwegenetz" preist das Ostseeband Wustrow auf seiner Website an. Doch der Weg entlang der feinsandigen Dünen auf der Halbinsel Fischland-Darß ist belastet. Der Schotter darauf besteht zum Teil aus asbesthaltigem Bauschutt.

Eine entsprechende Vermutung von fachkundigen Urlaubern, denen beim Wandern verdächtiges Material aufgefallen war, wird durch eine röntgenmikroskopische Laboranalyse des Instituts für Angewandte Umweltforschung im Auftrag der taz bestätigt: Die flachen Scherben, die vielfach auf den Wegen liegen, enthalten Asbest.

Obwohl die Chrysotil-Asbest-Fasern im Material fest gebunden seien, gehe davon eine Gefahr aus, sagt der Institutsleiter Wigbert Maraun: "Die Fasern können bei mechanischer Einwirkung wie Zerbrechen oder Reibung freigesetzt und dann eingeatmet werden." Wie die abgeschmirgelten Ränder der Bruchstücke vom Darß zeigen, seien diese bereits starker Reibung ausgesetzt gewesen.

Asbestfasern sind als für den Menschen eindeutig krebserzeugend eingestuft. Zwar sei die Luftbelastung auch bei starker Nutzung des Weges vermutlich nicht so stark, dass eine unmittelbare Gefährdung von Spaziergängern bestehe, erklärt Maraun. Dennoch hält er das Ablagern der Asbeststücke für einen Skandal. "Das darf einfach nicht passieren." Die Verwendung sei eine gesetzeswidrige Umweltgefährdung, so der Chemiker: "Das Abladen von asbesthaltigen Eternit-Bruchstücken auf einem Schotterweg stellt eine illegale Abfallentsorgung dar." Die Wege müssten sofort gesperrt, das verwendete Material entfernt und sachgerecht entsorgt werden, meint Maraun.

Doch das ist bisher nicht passiert. Dabei wurde die Kurverwaltung schon vor über einem Jahr von den besorgten Urlaubern informiert, die die Asbestscherben entdeckt hatten. Nach einer Begehung sei eine "geringe Menge" von Bauschuttstücken entfernt worden, sagt die zuständige Leiterin des Bauamts Fischland-Darß, Christina Drude, der taz. Kurdirektor Dirk Pasche, der auf Anfrage zunächst bestritten hatte, von dem Problem jemals gehört zu haben, spricht dann von "drei bis vier kleinen Stücken", die abgesammelt wurden. Eine Analyse des Materials, eine Untersuchung weiterer Wege oder einen Austausch des gesamten Schotters hielt das Bauamt nicht für nötig.

So war auch in diesem Sommer noch immer reichlich asbesthaltiger Schotter zu finden - und zwar nicht nur in Wustrow, sondern auch auf Wegen der Nachbarorte Born und Dierhagen. Kurdirektor Pasche vermag darin kein Problem zu sehen: "Das Zeug finden Sie doch überall." Bauamtsleiterin Drude kündigte immerhin an, der Sache erneut nachzugehen.

Bei der obersten deutschen Umweltbehörde, dem Umweltbundesamt, stößt diese Gelassenheit auf Unverständnis. Zwar sei eine solche Nutzung von Asbest in Ostdeutschland tatsächlich öfter vorgekommen, sagt Experte Folke Dettling; aber das sei keine Entschuldigung. "Das Material ist seit über 15 Jahren verboten, und eine Nutzung im Wegebau ist völlig unzulässig", so der Chemiker. Weil Asbestfasern eine krankhafte Veränderung des Lungengewebes, die sogenannte Asbestose, sowie Lungenkrebs auslösen können, sind Herstellung und Verwendung mittlerweile in der gesamten EU verboten; entsorgt werden muss das Material als Sondermüll.

Zwar sei eine konkrete Gefährdung nur schwer einzuschätzen, dennoch hätte das Material nach Bekanntwerden so schnell wie möglich entfernt werden müssen, meint Dettling. "Ein Jahr ist auf jeden Fall zu lang."

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