Castingshow auf Vox: Vögel mit Fun-Factor

Das neue Vox- Format "X-Factor" unterscheidet sich nicht von anderen Castingshows. Immerhin bricht Jurychefin Sarah Connor mit der Männerdominanz des Genres.

Frau in der Männerdomäne: Jury-Chefin Sarah Connor mit ihren Kollegen Till Brönner und Georg Glueck. Bild: dpa

Als der hauptberufliche Flugbegleiter Florian beim Casting in Köln mit Opernstimme "Nessun Dorma" schmetterte, bekam selbst die sonst nicht um Worte verlegene Sarah Connor den Mund nicht mehr zu: Da singt doch einer diesen Telekom-Werbespot nach, muss sie gedacht haben. Den Spot, in dem der hauptberufliche Handyverkäufer Paul Potts im britischen TV "Nessun Dorma" schmetterte, womit er weltberühmt wurde.

Florian ist trotzdem ausgeschieden. Er hat nicht den "X-Factor", fand die Jury der Castingshow, mit der Vox seit drei Wochen nach bisher unentdeckten Gesangstalenten in Deutschland fahndet. Nach zehn Jahren "Popstars" und sieben Staffeln "Deutschland sucht den Superstar" ist das womöglich ähnlich schwer, wie Dieter Bohlen noch Manieren beizubringen. Vox-Chef Frank Hoffmann hat allerdings versprochen, einen neuen Weg zu gehen: mit einem klaren Schwerpunkt auf der Musik, auch wenn man nicht ganz auf die unvermeidlichen Dokusoap-Elemente verzichten mag.

Wenn "X-Factor" das Genre neu erfinden wollte, hat Vox auf ganzer Linie versagt. Weil sich vor allem die Machart der Sendung kein Stück von der Konkurrenz unterscheidet: die Alles-oder-nichts-Rhetorik, der künstliche Spannungsaufbau, die unsäglich in die Länge gezogenen Dramatisierungen. Das liegt einmal daran, dass die "DSDS"-Produktionsfirma auch "X-Factor" herstellt - und zum anderen ist es so gewollt, gerade weil sich die Zuschauer an diese Mechanismen gewöhnt haben.

In Großbritannien, wo die Show beim Privatsender ITV seit Kurzem in der siebten Staffel läuft, sahen zum Auftakt 11 Millionen zu. In Deutschland waren es in der Vorwoche gerade mal 2,7 Millionen - für Vox aber ein fantastischer Wert, mit dem der RTL-Ableger seine Konkurrenten locker in den Schatten stellt.

Wie versprochen überwiegen bei "X-Factor" die Gesangstalente und nicht die Kandidaten, deren Scheitern zelebriert wird. Ganz auf kuriose Kandidaten mochte man aber auch bei Vox nicht verzichten: Als vor einer Woche die letzten Castingauftritte gezeigt wurden, streute der Sender noch mal "die schrägsten Vögel mit dem größten Funfactor" ein. Beim folgenden Vorsingen im "Juryhaus" wurden manche im Casting noch gefeierte Kandidaten gnadenlos entsorgt und weggeschnitten - wie im Frühjahr bei "DSDS", angeblich mangels Sendezeit. Die eigentliche Begründung aber ist: die Halbwertszeit der Kandidaten. Und die ist für die Macher manchmal eben schon nach zwei Minuten ausgereizt.

Jetzt sind die Castings rum, die Kandidaten müssen beweisen, dass sie das Zeug zum Star haben - und "X-Factor" muss zeigen, wie ernst es Vox damit ist, dem Genre etwas Neues hinzuzufügen. Die Voraussetzungen sind nicht schlecht: Die Leute schalten ein, auch ohne Demütigungen. Es gibt keine alberne Altersgrenze, sodass, anders als bei "Popstars", nicht nur Teeniemädchen durchgeschleust werden.

Und mit Sarah Connor hat Vox die perfekte Juryvorsitzende gefunden, die in den Castings fast jeden Kandidaten mit einer genreuntypischen ehrlichen Aufgeschlossenheit empfangen hat. Noch dazu ist Connor die erste tonangebende Frau in einer deutschen TV-Jury. Selbst wenn Vox sein Versprechen, anders zu sein, nicht ganz eingelöst hat: Es lohnt sich, weiter zuzusehen, wie "X-Factor" sich entwickelt. Und vielleicht ganz nebenbei die Dominanz exzentrischer Männer im Castingshowgeschäft bricht.

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